Ostsee-Pipeline : Hoher Druck beim Schweißen in der Tiefe
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Im „Habitat“ (Mitte) werden die Pipeline-Enden verschweißt. Zu beiden Seiten werden sie gehalten von zwei Greifrobotern, unterstützt von Ballons, die durch ihren Auftrieb je 20 Tonnen heben. Im Hintergrund schwebend die Taucherglocke Bild: Grafik Nord Stream AG
Der zweite Strang der Ostsee-Pipeline steht vor der Vollendung. Letzte Schweißarbeiten werden in rund 100 Meter Wassertiefe von Sättigungstauchern überwacht. Sie leben und arbeiten wochenlang unter hohem Druck.
Der Druck. Immer geht es um den Druck. Er muss genau eingestellt sein. Nur dann können die Taucher in der Tiefe ihre Arbeit erledigen und sicher in die Welt des normalen Luftdrucks zurückkehren. Würde der Druck unkontrolliert abnehmen, ginge es schnell um Leben und Tod.
Damit es dazu nicht kommt, passen eine Menge Leute auf, Tag und Nacht. Sie beobachten die Taucher, wie sie in ihrer Druckstation schlafen, wie sie essen, Filme anschauen und lesen, im Internet surfen und telefonieren, sich unterhalten oder einfach nur dasitzen und die Zeit totschlagen. Sogar auf der Toilette haben die Kontrolleure ein Auge auf die Taucher, gestatten ihnen aber, eine Kappe über das Kameraauge zu stülpen, für ein paar Minuten. Anthony Gill, Chef des Kontrollraums, hat auf seinen Bildschirmen alle Daten im Griff, er kann in jede Kammer sehen. Auf seinen Monitoren kontrolliert er ständig, ob die Luken dicht sind, ob der Druck in der Taucherstation konstant ist, ob das Gasgemisch richtig eingestellt ist: Drei Prozent darf der Sauerstoff nicht übersteigen. Und warm muss es sein, etwa 28, 30 Grad, die Taucher frieren leicht. Zwei Wochen geht das so.
Die Druckstation der Taucher liegt nicht am Meeresgrund, sondern ist an Bord des Offshore-Schiffs „Skandi Arctic“ installiert, eines Tauchbasisschiffs, auch „Diving Support Vessel“ (DSV) genannt, das zur Wartung und Reparatur von Offshore-Pipelines eingesetzt wird. Von diesem Schiffstyp gibt es nur zwei oder drei auf der Welt, und die 2009 fertiggestellte „Skandi Arctic“ ist das modernste von ihnen. Das Offshore-Schiff ist mit einem Positionierungssystem (DP III) ausgestattet, das genaueste Arbeiten auf See ermöglicht, und hat bei 157 Meter Länge ein 1700 Quadratmeter großes Arbeitsdeck. Die Druckstation ist tief im Schiffsinnern eingebaut und erstreckt sich mit den Versorgungssystemen über mehrere Decks. Das Schiff ist gewissermaßen um die Druckstation herumgebaut.
Ein Großteil der Wartungsarbeiten von Pipeline-Netzen lässt sich mit den beiden Unterwasserrobotern (ROVs) der „Skandi Arctic“ erledigen, doch für schwierige Aufgaben müssen die Sättigungstaucher raus. Und das heißt jedes Mal: ab in die Tiefe. Je tiefer ein Mensch taucht, desto langwieriger ist seine Rückkehr an die Wasseroberfläche. Das Problem ist das Gas, das er atmet. Es löst sich in den Körperflüssigkeiten auf und lagert sich im Gewebe, im Gehirn und in den Knochen ein - bis der Körper gesättigt ist. Daher der Name: Sättigungstaucher. Bei einem raschen Auftauchen würde das Gas zu schnell austreten, vor allem im Blut, wie bei einer Sprudelflasche, die man vor dem Öffnen schüttelt. Die Folge wären Gasembolien, Schäden an den Nervenbahnen und im Gewebe, mit tödlichen Folgen. Daher muss der Taucher das aufgenommene Gas bei langsam abnehmendem Druck über die Atmung abgeben, was viele Stunden dauert, je nach Wassertiefe und Tauchzeit. Die Arbeitszeit auf dem Meeresboden, die dann noch bliebe, wäre minimal.
Daher leben Sättigungstaucher längere Zeit unter hohem Druck, der in einer Druckstation an Bord des Schiffs aufgebaut und konstant gehalten wird. Erst wenn sie wieder in ihr normales Leben zurückkehren, wird der Druck in einer Dekompressionskammer langsam gemindert. Zwei Wochen dauert ein Einsatz in 100 Meter Tiefe: Acht Stunden die Umstellung auf den hohen Druck, zehn Tage die Arbeit, vier Tage die Rückkehr.