Fahrbericht Yamaha MT-10 : Im Crazy-Modus
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Bild: Hersteller
Unter der rauhen Schale steckt kein weicher Kern: Yamaha geht mit der 160 PS starken MT-10 ins Extrem. Beim Start waren wir eine Idee zittriger als sonst.
In einem fernen Sternennebel jenseits der Galaxien liegt ein Planet ohne Tempolimit, bevölkert von kriegerischen Maschinenwesen, die wie die Henker fahren. Auf welche Weise Yamaha herausfand, wie die dortigen Motorräder aussehen, ist ein Geheimnis. Fest steht: Sie haben jetzt auch so etwas im Programm.
Die neue MT-10 trägt nicht die Maske des Mitgefühls, sondern die eines eiskalt programmierten Roboters in interstellarer Mission. Von diesem Design kann man halten, was man will. Mutig ist es in jedem Fall, radikal, einzigartig. Es wird provozieren und polarisieren. Vor allem zeugt es von der momentan sehr breiten Brust des japanischen Herstellers. Mit dem Erfolg seiner ehrgeizigen Produktoffensive der vergangenen Jahre, der Rückeroberung ehemals verlorener Marktanteile kehrte das Selbstbewusstsein zurück. Yamaha ist wieder wer! Die MT-10 für runde 13 000 Euro ist das Ausrufezeichen.
Mit ihr fordert das Unternehmen die stärksten Naked Bikes des hiesigen Planeten heraus: Aprilia Tuono, BMW S 1000 R, Ducati Monster, KTM Super Duke, Triumph Speed Triple und das 1000-Kubik-Geschwader von Honda, Kawasaki und Suzuki. 160 PS Nennleistung bei nur 210 Kilo Kampfgewicht sind ziemlich galaktisch. Da allerdings auch die anderen keineswegs schwächeln, kam, um sich abzuheben vom Vorhandenen, dieses extreme Styling der Frontpartie zustande.
Nicht allein am bitterbösen Gesicht
Wer sich erstmals mit dem Daumen der rechten Hand dem Startknopf nähert, tut das vielleicht eine Idee zittriger als sonst. In unserem Fall war es so. Nicht allein am bitterbösen Gesicht lag das, sondern auch an den technischen Tatsachen: Das Grundgerüst liefert die R1, Yamahas 200-PS-Rennstreckenpfeil, hier nun anders verpackt. So richtig zur Geltung kommt die frostige Aggressivität des Fahrzeugs in der exzentrischen Farbkombination „Night Fluo“, einem Militärgrau mit neongelben Rädern. Schwarz und Blau fallen im Vergleich dazu etwas ab.
Die Forderung, es stilistisch mal krachen zu lassen, stammt von Yamahas Importeuren auf dem europäischen Kontinent. Denn: „Lange Zeit haben wir vieles immer gleich gemacht, immer wieder Varianten des gleichen Grundthemas gebracht. Die Leute waren gelangweilt“, erinnert sich Oliver Grill, Produktstratege in der Europazentrale in Amsterdam. Gute, aber unauffällige Modelle wie die FZ8 oder die FZ1 seien untergegangen, sagt Grill. „Zu normal. Da hat keiner mehr hingeschaut. Überall in der Konsumgüterwelt muss man heute mehr bringen als früher. Möglicherweise geht man dabei zu weit. Aber die Gefahr besteht eher darin, dass man nicht weit genug geht.“
Dem Vordermann ein Loch ins Blech lasern
In diesem Fall sind sie sehr weit gegangen. Grill zufolge ist die zerfurchte, zerklüftete Verkleidung der am Rahmen befestigten Lampe (sie dreht also nicht mit dem Lenker mit) kein reines Designexperiment, sondern hat handfeste Vorteile in Form von Windschutz für den Fahrer. Durch die Zerstückelung, das Brechen der Oberfläche wird versucht, die Maske kleiner wirken zu lassen, als sie ist. Der LED-Doppelscheinwerfer lässt sich als Gleichteil von der R1 verwenden und sieht so aus, als ließe sich damit dem Vordermann ein Loch ins Blech lasern.