Yachtbau auf Gotland : Der die Herzen zufliegen
- -Aktualisiert am
Der Spion, der mich liebte: Wer es fliegen lässt, erreicht mit der J Craft Torpedo annähernd 50 Knoten. Bild: Lucio Gelsi
Mediterrane Schönheit aus dem hohen Norden: Auf Gotland macht eine Werft ihr Ding. Ein Deutscher hält sie über Wasser.
Womit wollen wir beginnen? Mit dem König von Schweden oder dem Geheimagenten Ihrer Majestät, Carl XVI. Gustaf oder 007? Oder mit dem Investmentbanker, der sich zur Abrundung eines aufregenden Berufslebens ein Boot zulegen will und dann den ganzen Bootshersteller kauft?
Es gibt jede Menge Möglichkeiten, in diese Geschichte einzusteigen. Mit einem 5-Millionen-Dollar-Abendkleid beispielsweise oder mit dem bärtigen Hünen namens Johan, der aussieht wie ein nach zahlreichen Raubzügen ruhiger gewordener Wikinger, der in Wahrheit ein Mensch ist, wie man ihn sich sympathischer kaum vorstellen könnte, der den König kennt, 007 getroffen hat und sich neulich mit eigenen Händen in Wikingertechnik eine Scheune baute, ohne einen einzigen Nagel zu verwenden. Oder mit Niklas, dem ewig hadernden Mahagoniflüsterer, der niemals mit seiner Arbeit zufrieden ist, so lange lackiert und schleift, lackiert und schleift, lackiert und schleift, Schicht für Schicht, mindestens 16 an der Zahl, bis ihn einer anschnauzt, er solle endlich aufhören, weil der Status der Perfektion längst erreicht sei.
Am besten fangen wir mit dem an, worum es hier hauptsächlich geht, mit dem Boot. Es heißt Torpedo, ist aber kein Torpedoboot, sondern etwas, das stark an eine Riva Aquarama erinnert. Hersteller ist das Unternehmen J Craft von der schwedischen Insel Gotland, von wo aus Wikinger vor 1200 Jahren zu weiten Reisen aufbrachen, mal zum Handeln, mal zum Plündern, mal als Aufeinanderfolge von beidem. Dieses Boot, das größte, schönste und einzige Modell von J Craft, ist so besonders, dass es als Kulisse verwendet wurde für Modeaufnahmen mit einem Model, das ein mit schwarzen Diamanten besetztes 5-Millionen-Dollar-Kleid trug. Und für eine Werbekampagne von Chanel. Es ist fast so selten wie eine blaue Mauritius und der Beweis, dass eine Kombination aus Knäckebrot und Kaviar gelingen kann.
Das Jahr 1999 ist jenes, in dem sich in der Inselhauptstadt Visby der Gastronom und Hotelier Björn Jansson, ein Mann mit vielen Kontakten, auch solchen bis in höchste Kreise, Gedanken macht über ein Boot nach seinen ganz speziellen Vorstellungen. Als Vorbild dient ihm die Riva Aquarama, berühmtestes Sportboot aller Zeiten, Anmut gepaart mit Motorröhren, ein Kurvenstar der Sechziger wie die Bardot, schwimmender Ferrari des Jetsets, Requisit des Adels und heute als Oldtimer ein Vermögen wert. Eine Art Replik der Aquarama schwebt Jansen vor, bloß größer: 38 Fuß in der Länge, gut elf statt acht Meter, nicht aus Norditalien, sondern aus dem hohen Norden, nicht aus Holz wie damals, sondern aus Glasfaserkunststoff mit Mahagonifurnier auf dem Deck. Als Firmenname reicht das J des Nachnamens.
Jansson überlegt, wem er im Zuge der Vermarktung solch ein Boot schmackhaft machen könnte, und blättert durch sein Telefonbuch. Das scheint diesbezüglich vielversprechende Einträge zu enthalten. Wie auch immer er das einfädelt, Kunde für die Baunummer 1 des damals noch nicht Torpedo, sondern Cabrio Cruiser genannten Boots ist der schwedische König. „Polaris“ wird in Saint-Tropez stationiert, wo er sie noch heute nutzt, wie man hört.