Vespa Primavera 125 : Wahre Wespe im zweiten Frühling
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Bild: Hersteller
Vespa ist bekanntlich im Besitz des Schlüssels zur ewigen Jugend. Ein weiterer Beweis: die neue Primavera 125. Eine erste Probefahrt.
Wichtiger als ein Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten ist in Italien ein Modellwechsel bei Vespa. Der ist auf eine längere Dauer angelegt und wirkt sich erheblich auf das Straßenbild aus. Die Vespa LX hat neun Jahre lang treu und anmutig dem Land gedient und dem Piaggio-Konzern schöne Umsätze gebracht, jetzt ist ihre Zeit abgelaufen. Mit der Primavera steht die Ablösung bereit, dafür bestimmt, die Piazza zu schmücken und im Gewühl den Automobilisten um die Ohren zu fahren.

Redaktion „Technik und Motor“
Natürlich nicht ausschließlich auf dem Stiefel. Weltweit hat Piaggio von 2005 bis 2013 einige hunderttausend LX abgesetzt. In Deutschland hinterließ die Ära ebenfalls Spuren, Tausende bevölkern die Straßen mit 50- und 125-Kubikzentimeter-Motoren und dazu ein paar seltenere Exemplare mit 150 Kubik.
Voriges Jahr beispielsweise wurden hierzulande mehr als 1300 LX als 125er und etwa 6500 als 50er unter die Leute gebracht. Der Erwerb der meisten davon geschah vermutlich nicht allein unter praktischen Gesichtspunkten, sondern vor allem deshalb, weil eine Vespa Ausdruck von Geschmack und Stil ist. Kein neues Modell darf in dieser Hinsicht patzen.
Design
Daher wichtig: Die Primavera ist eine wahre Vespa geworden, also schön. Neigte die Vorgängerin noch ein bisschen zur Putzigkeit (rundlicher die Front, knubbeliger das Heck), ist die Neue ganz Eleganz. Puristischere Linien, fließende Formen, raffiniertes Relief der Po-Backen, Spiel mit weichen Konturen und harten Kanten, das sich stromlinienförmig zuspitzende Heck, das wie einst die Assoziation einer Wespe weckt – in der Primavera schlummert der Urtyp MP6 von 1946, und sie trägt deutliche Züge der zauberhaften, aber überteuerten Nobel-Vespa 946 des Jahrgangs 2013, einschließlich der langen „Krawatte“ auf der Brust.
Hier und da – Chromring um den Rundscheinwerfer, trapezförmiger Tacho – schimmern die fünfziger, sechziger Jahre durch. Und mit der Reaktivierung des Modellnamens wird an die erste Primavera („Frühling“) von 1968 erinnert, ein bis in die Achtziger angebotener Erfolgstyp.
Motor
Piaggio treibt sein ewig junges Konzept immer weiter durch die Zeit, mit der Kraft der Tradition. Am Prinzip der selbsttragenden Blechkarosserie wird natürlich festgehalten, für Veränderung stehen Leuchtdioden für Positionslichter und Bremslicht, ein blau illuminiertes Display als Ergänzung der nostalgischen Geschwindigkeitsanzeige, neue Alu-Räder im Fünf-Speichen-Look.
Vom Wandel kündet auch der noch recht neue Einzylinder-Dreiventilmotor mit 10,7 PS (7,9 kW), der laut Norm nur gut zwei Liter auf 100 Kilometer verbrauchen soll. Weniger als drei Liter halten wir für realistisch. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei gut 90 km/h.
Bedienung
Die Primavera flirtet heftig mit der Vergangenheit, doch sie ist kein Produkt simpler Retro-Masche. Und bei all dem Bemühen um Liebreiz und Grazie geht den Piaggio-Leuten der Sinn für Nützlichkeit im Alltag nicht verloren. Das Handschuhfach sehr brauchbar, die neuen Lenkerschalter viel besser zu ertasten als die alten, spielerisch einfaches Aufbocken auf den Hauptständer (leider keine Seitenstütze in der Serienausstattung), exzellente Sicht in den Rückspiegeln, kleiner Wendekreis, überragende Handlichkeit: Die Primavera ist ein Kampfschwein, auch wenn sie nicht so aussieht. Schade, dass es keine 15-PS-Variante gibt, um die Möglichkeiten des A1-Führerscheins voll auszuschöpfen.
Komfort
Um kleingewachsenen Personen entgegenzukommen, wurde die Sitzhöhe um fünf auf 78 Zentimeter verringert, dank im Vergleich zur LX schmalerer Trittbretter finden kurze Beine besser den Boden. Elf Zoll messen das Vorder- und jetzt auch das Hinterrad (bisher zehn).
Weitere Modifikationen im Sinne gesteigerten Komforts betreffen das Sitzpolster, die Motoraufhängung (weniger Vibrationen), die Verbindung von Stoßdämpfer und Einarmschwinge vorn (mit dem Ziel feinfühligeren Federns). Nach dem Eindruck einer ersten Probefahrt ist das gelungen. Die Primavera fühlt sich für eine „Small-Body“-Vespa (im Unterschied zur großen GTS) überraschend erwachsen und stabil an. Gesamtlänge und Radstand wuchsen geringfügig, das Gewicht nahm um drei auf 125 Kilogramm zu (mit vollem 8-Liter-Tank).
Fahrverhalten
Lasch – zumindest sehr defensiv abgestimmt – wirken die Bremsen (vorne Scheibe, hinten Trommel), ABS wird für die Primavera vorerst nicht angeboten, das ist schwach. Nach einer Bordsteckdose sucht man vergeblich. Ein Start-Stopp-System, wie es Honda schon anbietet, stünde dem Rollerimperium aus der Toskana ebenfalls gut an.
Mit der Vergrößerung des Staufachs unter der Sitzbank (Volumen 16,6 statt 14,3 Liter) indes wurde eine Schwäche der LX beseitigt. Auch voluminösere Jethelme passen jetzt hinein. Möglich wurde das durch den Umzug der Bordbatterie in den Boden des Durchstiegs mit dem willkommenen Nebeneffekt eines etwas niedrigeren Fahrzeugschwerpunkts.
Preis
Die Primavera ist der neue Stolz der Marke. Stolz sind traditionell auch die Preise. 4050 Euro werden für die 125er verlangt. Die 50er mit Zwei- oder Viertaktmotor (4,4 PS) für 3250 Euro sind auch nicht gerade billig. Aber sie werden einige Regierungschefs überdauern.