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Vegane Autoinnenräume : Ich bin so frei

Volvo öffnet Veganern weit die Tür. Bild: Hersteller

Immer mehr Autohersteller entwickeln nachhaltige oder vegan gestaltete Innenräume. So gibt es etwa im C40 von Volvo kein Leder mehr, auch nicht am Lenkrad oder am Automatikwahlhebel.

          3 Min.

          Unser ehemaliger Redaktionsleiter hat es schon immer gewusst: „Ledersitze im Auto mag ich überhaupt nicht. Im Winter kalt und im Sommer heiß.“ Damals, es ist mehr als 30 Jahre her, lächelten wir noch. Leder galt als luxuriös und stilvoll, es sah gut aus und war nicht so spießig wie Stoffsitze. Über Tierwohl und Nachhaltigkeit machten sich die wenigsten Gedanken. Heute sieht das anders aus. Wir sind nicht nur auf dem Weg in die Elektromobilität, wahrscheinlich verabschieden wir uns auch nach und nach von Ledersitzen und anderen tierischen Produkten wie Wolle in den Innenräumen der Autos. Das Stichwort lautet: vegane Innenräume. Viele Autohersteller sind auf dem Weg dorthin - die einen schneller, die anderen langsamer.

          Boris Schmidt
          Redakteur im Ressort „Technik und Motor“.

          Immer mehr Menschen leben vegetarisch oder vegan, in Deutschland sind es rund neun Millionen. Viele davon sind so konsequent, dass sie auch im Auto nicht mit tierischen Produkten in Berührung kommen wollen. Oft ist das einfach, weil in preiswerteren Automodellen ohnehin nur mit Kunststoffen gearbeitet wird, zum Beispiel bei Dacia. Auch das meistverkaufte Auto in Deutschland, der VW Golf, ist in seiner Basisversion vegan, genau wie alle Ford-Modelle in den Basisausstattungen. Wer es genauer wissen will: Die Tierschutzorganisation Peta hat auf ihrer Website eine recht aktuelle Liste dazu, wobei nicht alle Hersteller auf die Anfrage von Peta geantwortet haben. Auch der Autovermieter Sixt zum Beispiel informiert darüber, welche seiner Autos vegan sind.

          Schwieriger wird es, wenn es in höhere Preisklassen geht. Dort gehört Leder, und sei es nur als Ummantelung für das Lenkrad, immer noch automatisch dazu. Doch auch das beginnt sich zu ändern. Volvo, oft Vorreiter in vielen Bereichen (seit gut einem Jahr sind alle Modelle ab Werk auf 180 Kilometer pro Stunde limitiert), wird den rein elektrischen neuen C40 Recharge nur noch "100 Prozent lederfrei" anbieten. Das Gleiche gilt für das Schwestermodell, den ebenfalls elektrischen XC40 Recharge.

          Denn manche Innenräume werden ohne tierische Produkte ausgestattet. Bilderstrecke
          Vegan Autoinnenräume : Ich bin so frei

          „Wir wollen die Verwendung von Produkten tierischen Ursprungs in unseren Fahrzeugen schrittweise reduzieren“, sagt Lisa Reeves, Designerin bei Volvo. „Wir tun das, weil wir sehen, dass die Verbraucher zunehmend lederfreie Autos wünschen.“ Und weiter: „Im Lauf der Zeit werden diese Produkte vollständig aus den Fahrzeugen eliminiert. Unser Ziel ist es, sie durch andere nachhaltige Vinyls und Textilien zu ersetzen.“ Es gibt im C40 also kein Leder mehr, auch nicht am Lenkrad oder am Automatikwahlhebel. Stattdessen kommen neue Materialien wie Microtech-Textilpolster für die Sitze und nachhaltigere Alternativen aus recycelten Plastikflaschen zum Einsatz.

          Denn das Tierwohl ist das eine große Ziel, der nachhaltige Umgang mit Ressourcen das andere. Für einen Quadratmeter Leder werden allein zum Gerben 500 Liter Wasser verbraucht, vom Bedarf der Rinder zu Lebzeiten zu schweigen. Die jetzt verwendeten Textilien seien nicht nur nachhaltiger, sie sparten im Vergleich mit Leder sogar zwei bis vier Kilogramm, sagt Reeves. Für die Teppiche im C40 werden recycelte PET-Flaschen genutzt, rund 70 werden je Fahrzeug verarbeitet. Recyceltes Material für die Ausgestaltung des Innenraums aus PET-Flaschen oder aus Fischernetzen ist in der Autoindustrie nicht neu, das gibt es – auch für die Sitze – schon bei Land Rover oder bei Audi im elektrischen E-Tron GT. Und natürlich ist vegan auch nicht per se gut – es kommt immer auf die Ökobilanz an.

          Ein anderes Kunstleder nennt sich Acella

          Ein gern genommener Ersatz für Leder ist Alcantara, ein in den siebziger Jahren in Japan entwickelter Mikrofaservliesstoff, der auf Polyester und Polyurethan basiert und sich fast wie Veloursleder anfühlt. Alcantara ist sogar atmungsaktiver, rutschhemmend, weitgehend pflegefrei und wiegt im Vergleich weniger. Porsche nutzt es gerne bei der Ausstattung seiner GTS-Modelle. Ein anderes Kunstleder, das ganz ähnlich ist, nennt sich Acella.

          Der neue Volvo C40 soll aber nicht nur mit einem veganen Innenraum überzeugen. Lisa Reeves und ihr Team haben sich auch eine „Weltneuheit“ ausgedacht: lichtdurchlässige, dreidimensionale Dekoreinlagen, die mit ihrer Hintergrundbeleuchtung ein beruhigendes Ambiente schaffen sollen. Das gibt es ohne Aufpreis, wobei für die feineren veganen Polsterungen 1570 oder 1780 Euro extra zu zahlen sind. Ohnehin ist der 62.050 Euro teure Volvo, der in diesen Tagen auf den Markt kommt, kein Sonderangebot. Das Coupé-SUV hat jedoch auch zwei Motoren und mehr als 408 PS. Aber das sind andere Talente.

          Gar nicht zu bezahlen wäre der Audi Skysphere Concept, der unlängst in Kalifornien debütierte. Die VW-Tochter will damit zeigen, was sie in Zukunft vorhat. Unter anderem wird alles elektrisch und autonom. Wenn Lenkrad und Pedale nicht mehr gebraucht werden, kann der Fahrer sie verschwinden lassen. Aber auch hier gilt: Der Innenraum ist vegan. Die beiden Sitze des futuristischen Fünfmeter-Roadsters sind mit nachhaltig produziertem Mikrofasergewebe bezogen. Ökologisch zertifiziertes Eukalyptusholz und synthetisch produziertes „Ledersurrogat“ sind weitere Innenraum-Materialien.

          Lederfreunde schauen somit langfristig wohl in die Röhre. Wobei die Ersatz-Materialien in Haptik und Aussehen dem Leder nicht nachstehen. Selbst bei den Gralshütern der englisch geprägten feinen Einrichtung, bei Rolls-Royce, ist der Trend längst angekommen. Wenn der Kunde es wünsche, sagt eine Rolls-Royce-Sprecherin, bekomme er selbstverständlich einen veganen Innenraum.

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