Land Rover Defender : Alter Freund, so leb denn wohl
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Sondermodell Heritage vor der Whisky-Destillerie der Gründerfamilie Bild: Hersteller
Den Defender gibt es in Zukunft nur noch zum Ausstanzen und Falten. Die Produktion wird eingestellt. Wer dieses Auto kennenlernen will, muss sich auf die Suche nach dem Fortschritt im Land Rover machen.
Manche Augenblicke sind symbolträchtig, selbst wenn es nur um ein Stück Pappe in der Hand geht. „Make your own model“, empfiehlt Land Rover der kleinen Schar von Besuchern, die auf die Insel Islay gekommen sind, um den Defender von der Wiege bis zur Bahre zu begleiten. So steht es auf dem Umschlag der Mappe, enthalten ist das Modell 110 Experience zum Ausstanzen und Falten. Gute Idee, das Selbermachen wird bald die einzige Möglichkeit sein, einen Neuen zu bekommen, denn die Produktion wird eingestellt. Wenigstens hat der Bastler die Fertigungsqualität selbst in der Hand.
Sei’s drum, Spott wegen seiner vielen Macken hat dieses Auto nicht verdient. Der Land Rover verspritzt einen skurrilen Charme; wer ihn liebt, verzeiht ihm fast alles und will gar kein anderes Auto haben – es sei denn, als Landy-Schoner. Die Schar treuer Anhänger hat dem Land Rover, der seit 1990 Defender heißt, weil der Name für die ganze Marke gebraucht wurde (er verteidigt vermutlich den guten Ruf als Geländegefährt, weil die Neuen dazu nicht taugen), eine beachtliche Lebensdauer von fast sieben Jahrzehnten beschert. Die Konstruktion von Maurice Wilks war eine Nachkriegsentwicklung und – im Gegensatz zum Jeep, der für das Militär entwickelt wurde und Pate stand, ganz zivil: Die Landwirtschaft brauchte ein geländegängiges Vehikel. Und weil der Stahl knapp war, nahm Wilks halt Aluminiumblech.
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Da stehen sie nun auf der schottischen Insel Islay und warten auf ein paar Besucher, die durch die Zeit fahren wollen – in Reih und Glied vom aufwendig restaurierten Serie I aus dem Jahr 1954 bis zum wenige Tage alten Sondermodell Heritage im klassischen Grün, wie es noch ein paar Wochen lang verkauft wird. Das macht neugierig: Was wird sich da wohl in der langen Zeit verändert haben?
Nach einem Tag über Schotter, Sand und Stein wissen wir: Viel interessanter ist, was blieb. Steigen wir also erst mal ein in den Opa. Die Türen schlagen scheppernd zu, in die Spalte kann man Finger schieben. Der Fahrer kauert am Blech, und durch die kleine steile Scheibe sieht er gerade so viel, dass er nicht an jedem Stein hängen bleibt. Im und am Auto ist nur, was unbedingt zum Fahren gebraucht wird, zum Anhalten gibt es eine „Bremse“. Langsam schalten, die unsynchronisierten Gänge rasten krachend ein, der brabbelnde Motor zieht die Fuhre durch jeden Dreck. Fahrgefühl wie in einem rennenden Traktor, welch ein Spaß.
Zehn Jahre später gibt es Neues. Sieh an, eine Heizung, war die serienmäßig? Mit der Zeit werden die Sitze weicher, nun ja, auch Landwirte werden älter. Der Serie IIa war Eigentum von Spencer Wilks, der zusammen mit seinem Bruder das Unternehmen aufgebaut und auf der Insel ein Landhaus hatte. Seine Nachkommen destillieren dort Whisky. Auf Islay gab es auch den ersten Händler, deshalb sind wir dort. Zuviel Ehrfurcht vor dem historischen Gefährt von 1960 ist nicht angebracht, über die kopfgroßen Steine zum langen Sandstrand hinunter zeigt der Alte der Jugend, wo es langgeht. Und auf den engen Straßen hält er erstaunlich mit, wo wird denn da der Fortschritt sein?
Immer ein bisschen krank, aber nie tot
Na gut, mit der Reife kommt er in kleinen Schritten. Stärkere Motoren, aber die Autos wurden auch größer und schwerer. Die Lichter wandern nach außen, schöner wird er davon nicht. Kurbelfenster, ein bisschen Blechkosmetik, permanenter statt des zuschaltbaren Allradantriebs. Und vor einem Viertel Jahrhundert dann die Revolution: Schraubenfedern für die Starrachsen. Der Rest ist für Weicheier, elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung und später gar auf Wunsch eine Klimaanlage, oder den immer schärfer werdenden Zulassungsvorschriften geschuldet – kurz vor der Jahrtausendwende zieht so die Elektronik ein. Das ist ein herber Schlag für alle Puristen: Früher hieß es, ein Land Rover ist wie die Schwiegermutter: immer ein bisschen krank, aber nie tot. Neue Modelle werden schon von einem spinnenden Sensor lahmgelegt.
Wie fährt sich nun der Letzte der Aluminiumritter? Die Türen schlagen scheppernd zu, der Fahrer kauert am Blech und findet mit den Fingern die Spalte von einst wieder. Kleine steile Scheibe und „Bremsen“. Die synchronisierten Gänge rasten krachend ein, also langsam schalten. Fahrgefühl wie in einem rennenden Traktor, das ist es, was wir so lieben.
Land Rover schafft das Urgestein ab, weil man sich nicht in der Lage sieht oder keine Lust hat, den Defender an die abermals schärferen Bestimmungen in Europa anzupassen. Wer ein kompromissloses Geländegerät sucht, wird sich in Zukunft bei Jeep umsehen. Um die Defender brauchen wir uns trotzdem keine Sorgen zu machen; sie werden jetzt schon zu furchterregenden Gebrauchtwagenpreisen gehandelt. Mit etwas Zuwendung gepflegt, lassen sie sich weitervererben. Deshalb sagen wir nicht ade, sondern lebe wohl.