Oldtimer-Fliegertreffen : Fliegende Diven
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Der filigrane Blériot XI von 1918 verkörpert ein Jahrhundert Fluggeschichte. Bild: Jürgen Schelling
Alt aber rüstig: Beim Oldtimer-Fliegertreffen auf dem schwäbischen Flugplatz Hahnweide versammelt sich alles, was in der Aviatik alt, schön und gerne auch laut ist.
Die Silhouette des einmotorigen Flugzeugs wird ungewöhnlich schnell größer. Das Geräusch geht nun in aggressives Brüllen über. Sekundenbruchteile später ist der Propeller-Oldie an den Zuschauern auf dem kleinen Fluggelände östlich von Stuttgart vorbeigerast. Die Besucher staunen begeistert: „Wahnsinn!“ Der Segelflugplatz Hahnweide beim schwäbischen Städtchen Kirchheim unter Teck verwandelt sich alle zwei Jahre in ein Zentrum des motorisierten Oldtimerflugs.
Die Fliegergruppe Wolf Hirth organisiert das größte Klassiker-Fliegertreffen Europas schon zum 18. Mal. Und die Maschine, die da mit geschätzt 500 km/h über die Runway fegt, ist eine britische Supermarine Spitfire Mk XVI, Baujahr 1945. Die Einmotorige war einst eines der besten britischen Jagdflugzeuge.
Ein unersetzliches Original ist auch die älteste Maschine am Platz, eine Blériot XI von 1918. Der schwedische Flugkapitän Mikael Carlson besitzt und fliegt den Klassiker. Mit einer Maschine gleichen Typs schaffte der Franzose Louis Blériot 1909 die erste Ärmelkanalüberquerung. Damals wurden im Anschluss an den Rekordflug mehr als 100 Flugzeuge des Typs XI gebaut. Das Fliegen der Blériot ist allerdings alles andere als einfach. Der Gnome-Omega-Siebenzylinder hat nur 50 PS und kann nicht gedrosselt werden.
Es gibt für den Piloten also nur die Alternativen Vollgas oder Stillstand des Propellers. Zwei Helfer halten die Blériot XI deshalb nach dem Anlassen des Sternmotors fest. Sobald Carlson ein Zeichen gibt, lassen sie die Maschine los. Ihre Steigleistung ist minimal, und sie hat Mühe, Höhe zu gewinnen. Nach etwa fünf Minuten mit 65 km/h beginnt Carlson den Landeanflug, indem er das Triebwerk sekundenweise abstellt, um die Bleriot XI auf die nötige Aufsetzgeschwindigkeit verlangsamen zu können. Begeisterter Applaus, 50 000 Zuschauer haben gerade eine Zeitreise in die Aviatik des frühen 20. Jahrhunderts erlebt.
Seltene Klassiker
Für viele Fans faszinierend ist auch das Bestaunen seltener Klassiker. So gut wie sonst nie zu sehen sind etwa die beiden ehemaligen Transportflugzeuge Flamant MD 311 und 312 des französischen Herstellers Dassault. Dazu kommen Exoten, bei denen selbst angebliche Oldi-Experten schamhaft nach dem Typ fragen. Das gilt etwa für die 1934 gebaute Kinner Sportster B-1 oder auch die F+W C 3605, die 1943 in der Schweiz produziert wurde. Dazu sind Einzelstücke wie die Klemm L25aVI von 1927 oder auch ein Praga E114 Baby ausgestellt. Derartige Raritäten, meist liebevoll und unter großen Mühen restauriert, sieht man in dieser Vielzahl wohl nur auf der Hahnweide.
Zudem ist das Starten und Landen auf der Hahnweide oft spektakulär anzusehen. Viele der alten Flugzeuge sind fliegende Diven. Vor allem diejenigen mit einem Spornradfahrwerk. Da sitzt das dritte Rad hinten unterm Heck, diese Konfiguration war bis in die fünfziger Jahre vorherrschend. Spornradflieger sind aber bei Start und Landung schwieriger unter Kontrolle zu halten als Bugradflugzeuge.
Es ist also ganz großes Aviatik-Kino, was hier von den Piloten, unterstützt von 350 Helfern der Fliegergruppe Wolf Hirth, auf dem kleinen Segelflugplatz geboten wird.