Neue Fahrradmodelle : Mit Watt- und Wadenstärke in die Saison
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Mit Motorkraft von Bosch den Berg hinauf will das Haibike Xduro Allmountain Bild: Kay Tkatzik
Auf ein Neues: Jedes Frühjahr straft die Behauptung Lügen, wonach die technische Entwicklung des Fahrrads angeblich abgeschlossen sein soll.
Ist denn immer noch kein Ende abzusehen? Wird es immer so weitergehen, dass uns jede Saison neue Elektroräder beschert? Für 2013 darf man dazu heftig nicken: Noch immer vermehrt sich die Zahl der Anbieter, und immer kleiner werden die Nischen, die von ihnen mit elektrifizierten Modellen besetzt werden.
Die amerikanischen Marken sind dieser Entwicklung eher zögerlich gefolgt, haben dann aber richtig geklotzt. Zum Beispiel brachte im vergangenen Jahr Specialized mit dem knallroten Modell TurboS (rund 5500 Euro) ein schnelles E-Bike (also ein elektrisches Leichtkraftrad) von beachtlichen Qualitäten heraus. In diesem Frühjahr folgt nun Felt, gleichfalls ein Anbieter, dessen Sortiment seinen Schwerpunkt bei Rädern für den Sport auf der Straße und im Gelände hat. Allerdings machen es die Kalifornier aus Irvine anders als die aus Morgan Hill: Specialized spricht zwar vom Turbo S mit dem Hinterrad-Nabenmotor als einem „urbanen“ E-Bike, doch wurde darauf geachtet, es durch die Betonung von Sportlichkeit und Fahrvergnügen mehr dem Image des Unternehmens als dem praktischen Nutzen anzupassen.
Felt hingegen hat mit dem Verza E10 (rund 3300 Euro) ein bis 25 km/h unterstützendes Pedelec auf die 28-Zoll-Räder gestellt, das als Unisex-Modell mit tiefem Durchstieg zunächst wesentlich braver wirkt. Es kombiniert den Bosch-Mittelmotor-Antrieb (Akku: 300 Wattstunden) mit dem stufenlosen Automatikgetriebe NuVinci Harmony, was sich wieder einmal bewährt: Die Automatik, die einen ohne manuelles Schalten mit angenehmer Trittfrequenz fahren lässt, passt einfach gut zum Elektromotor.
Der Fahreindruck ist ein wenig zwiespältig
Dazu gibt es eine Federgabel, hydraulische Scheibenbremsen (Magura MT Custom), eine StvZO-konforme Lichtanlage mit LED-Technik und Nabendynamo, dazu sogar noch ein Ringschloss. Der Akku wird über dem Hinterrad in den Gepäckträger geschoben. Dass sich das Rad trotz seiner auf Bequemlichkeit optimierten Form des Aluminiumrahmens und der nicht gerade idealen Gewichtsverteilung beim Fahren sehr ruhig und stabil verhält, liegt unter anderem an der erst auf den zweiten Blick auffallenden Form von Unter- und Steuerrohr. Hier sind die Erfahrungen von Felt aus dem Sport mit der Rahmengestaltung durch Innenhochdruckumformung genutzt worden. Angenehm flott ließ sich das Rad auf einer kleinen Runde fahren. Doch seine Handlichkeit kommt an ihre Grenzen, wenn man es hebend und tragend rangieren muss. Dann wird das hinter der Mitte konzentrierte Gewicht von Motor, Akku und Automatiknabe hinderlich. Dass es 24 Kilogramm sein sollen, wie Felt behauptet, bliebe noch nachzuprüfen.
Ein Leichtgewicht von etwas über 15 Kilogramm für die mit Kompaktrad beschriftete Nische ist das 20-Zoll-Rad von Hercules durch konsequentes Weglassen geworden. Wenn man vor ihm steht, sucht man unwillkürlich am Rahmen das zentrale Scharnier zum Klappen oder Falten. Aber so etwas gibt es beim E-Compact 20 (rund 1400 Euro) nicht. Nur an der Lenksäule und dem Sitzrohr helfen Schnellspanner die Sperrigkeit zu verringern oder das Rädchen dem Benutzer rasch anzupassen. Es ist für nicht allzu ausgedehnte Fahrten gedacht, ein klassisches Zubringer-Fahrrad, das im Wohnmobil, Caravan oder auf dem Boot seinen Platz findet. Daher kann der Akku im Volumen wie in der Kapazität (162 Wattstunden) so weit schrumpfen, dass er unter dem Sattel ans Sitzrohr passt. Der 180-Watt-Nabenmotor - ausgewachsene Pedelecs haben meist einen Motor mit 250 Watt Leistung - sitzt im Vorderrad. Hinten schaltet eine Zwei-Gang-Nabe mit Rücktrittbremse von Sram selbständig.
Der Fahreindruck bleibt ein wenig zwiespältig: Die Motorunterstützung gefällt, solange der Untergrund gut und glatt ist. Der Komfort reduziert sich immer dann gewaltig, wenn die kleinen Laufräder in Schlaglöcher rumsen oder über andere Unebenheiten hoppeln müssen. Dann wünscht man sich genauso wie beim abrupten Bremsen etwas weniger Nachgiebigkeit am Lenker. Insgesamt geht das E-Compact 20 sicherlich für gelegentliche Fahrten durch, ohne aber ein Pedelec zu sein, das Tag für Tag neben den Großen mithalten kann.
Kein Fahrrad mehr, sondern ein Kraftfahrzeug
Mithalten können, das ist die moralisch einwandfreie Begründung für Mountainbikes mit Hilfsmotor. Die Diskussion um diese Räder kann als abgehakt gelten: Es wird sie weiterhin geben, und das in nicht geringer Zahl, nämlich als den einen Pol der Mountainbike-Szene. Ihre Benutzer werden mit der müden Verachtung leben müssen (das aber auch können), die ihnen vom anderen Pol entgegengebracht wird, wo sich die wilden Kerle und Kerlinnen versammeln, die mit nur einem Gang ins Gelände aufbrechen.