Probefahrt Mercedes-AMG GT R : Direkt aus der grünen Hölle
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Ein Rennwagen, der auch auf die Straße darf: der Mercedes-AMG GT-R Bild: Hersteller
Der Mercedes-AMG GT R ist die neue Speerspitze aus Affalterbach. Der Rennwagen für die Straße bietet 585 PS und 700 Newtonmeter. Eine Probefahrt.
Von wegen, Leistung ist nicht mehr gefragt. Während die halbe Welt nach dem Elektroauto ruft, frönt die andere Hälfte mehr oder weniger heimlich der Lust an Hubraum und Kraftentfaltung. So verkauft AMG aus Affalterbach, Haustuner von Mercedes-Benz, mehr Autos denn je: Nach rund 68 500 im Jahr 2015 werden es jetzt knapp 100.000, wieder beträgt die Steigerungsrate um die 40 Prozent. Bis auf die B- und V-Klasse nimmt sich AMG jedes Mercedes-Personenwagens an, das einzige eigenständige AMG-Modell ist der Sportwagen GT.
Und hier debütiert im März der neue GT R. Wer ihn sofort bestellt (Basispreis 165 410 Euro), kann noch nicht einmal sicher sein, dass er ihn 2017 geliefert bekommt. Der R ist die neue Speerspitze der GT-Sportwagen, er schickt im Vergleich mit dem AMG GT S nochmals 75 PS mehr an die Hinterräder, 575 sind es, dazu kommt ein maximales Drehmoment von 700 Newtonmeter. Die Kraft des 4,0-Liter-Biturbo-V8 wird von einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe gezähmt, das an der Hinterachse sitzt (Transaxle-Bauweise). In der Spitze sind so 318 km/h möglich, der Spurt von 0 auf 100 km/h lässt sich in beeindruckenden 3,6 Sekunden bewältigen. Der Normverbrauch von 11,4 Liter sei nicht verschwiegen.
Doch nicht nur der Motor mache den straßentauglichen Rennsportwagen aus, sagt AMG-Chef Tobias Moers. „Wir haben in den GTR in Sachen Rennsport alles reingepackt, was ging.“ Besonders stolz ist Moers auf die Chassis-Control, um die er aber ein kleines Geheimnis macht. Die neunstufige, manuell bedienbare Traktionskontrolle kommt direkt aus dem Rennsport vom GT 3, doch tief in den elektronischen Reglern des Fahrwerks ist eine Software hinterlegt, die den Wagen in „Kurven anlehnt“, mittels Bremseingriffs, ohne Zutun des Fahrers.
Das sei einmalig in der Sportwagenwelt und deshalb nicht näher zu erläutern. In den Presseunterlagen steht auch kein Wort darüber. Gelernt habe man das 2013 beim Entwickeln des rein elektrischen SLS-AMG, der 2014 vom Markt genommen wurde, als man die Kraft von vier Motoren koordinieren musste.
Zurück ins Heute. Das neue Gewindefahrwerk mit adaptiver Verstelldämpfung lässt dem Piloten die Wahl zwischen Komfort, Sport und Sport+. Auf der Rennstrecke zeigt sich der GT R auch tatsächlich unglaublich kurvenwillig, und es geht immer noch viel mehr, als man eigentlich glaubt.
Viel Entwicklungszeit haben die Ingenieure auf dem Nürburgring verbracht, in der grünen Hölle der Nordschleife. Sieben Minuten und 10,9 Sekunden, gefahren von einem Motorsport-Journalisten, seien der beste Beweis für die Talente des GT R. Schneller hat kaum noch ein für die Straße zugelassener Sportwagen die Schleife gebunden.
Daraus resultiert der Venturi-Effekt
Für möglichst fixe Runden wirft der AMG zudem unter anderem eine mitlenkende Hinterachse und ein elektronisches Sperrdifferential in die Waagschale, die Aerodynamik wurde überarbeitet und bietet einen „aktiven Unterboden“ auf, der je nach Tempo die Luft unterschiedlich unter dem Wagen durchströmen lässt.
Vereinfacht gesagt, fährt ein Karbon-Profil nach unten, daraus resultiert der Venturi-Effekt, der den Wagen an die Fahrbahn „saugt“ und den Auftrieb an der Vorderachse reduziert. Das erhöht selbstverständlich die Spurstabilität. Diese profitiert weiterhin von einer im Vergleich zum einfachen GT breiteren Spur der Hinterachse.
Der 4,55 Meter lange Zweisitzer wiegt moderate 1,5 Tonnen, dank Aluminium-Chassis und der Verwendung von Magnesium- und Karbonbauteilen. Unter anderem bestehen die vorderen Kotflügel und das Dach aus Karbonmatrial, ebenso die Ummantelung der Kardanwelle. Es ergibt sich ein Leistungsgewicht von 2,66 Kilogramm je PS.
Für 3800 Euro kann die der GTR-Kunde zur weiteren Gewichtsreduzierung den starren Heckflügel aus Kohlefaser bestellen. Auch die Strebe im Kofferraum (bis zu 350 Liter Volumen), die Gepäck auf dem Weg nach vorn aufhalten soll, kann in einer Karbon-Ausführung bestellt werden, für gut 1400 Euro. Es bleibt also nicht bei den 165 410 Euro, auch fast sämtliche Assistenzsysteme und ein Navigationssystem kosten gesalzene Aufpreise. Den wahren Fan schreckt das offenbar jedoch nicht. Die Bestellbücher sind mehr als voll.