Fahrbericht Volvo XC 60 : Ausbruch aus dem Mittelmaß
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Volvo XC 60 Bild: Hersteller
Eine Million Mal hat Volvo den Vorgänger verkauft. Mit Selbstvertrauen und Eleganz wirft sich der XC 60 ins Rennen. Jetzt gegen Audi.
Als der gemeine Schwede sich eines Tages nicht mehr sicher war, ob er auf ewig im Kombi durch die Landschaft rollen möchte, erfand er den XC 90. Ein leicht gezähmter Geländewagen rustikalerer Natur, der wohl auch für Volvo überraschend in Stockholm ebenso gut ankam wie in San Francisco. Bald wurden sanfte Veränderungen vorgenommen, die den amerikanischen Geschmack treffen sollten, was den Gesetzen des Marktes folgte, aber die Gefahr aufziehender Beliebigkeit barg. Während darüber noch sinniert wurde, schob Volvo den kleineren XC 60 nach, der aus dem Stand eine noch steilere Karriere hinlegte. Weder permanenter Ärger etwa mit Radlagern noch suboptimaler Service im Händlernetz vermochten den Erfolg zu verhindern. So hätte es in gehobener Mittelmäßigkeit fröhlich weitergehen können, doch dann fiel die kühne Entscheidung, Audi anzugreifen. Dazu musste zweierlei geschehen: Die Größenverhältnisse mussten neu geordnet werden. Und das Design musste Zeichen setzen.

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Technik und Motor“.
Letzteres oblag Thomas Ingenlath, der mit dem neuen XC 90 sein Meisterwerk ablieferte – eine Skulptur von Fahrzeug, elegant und eigenständig, und vor allem so massig, dass der XC 60 nicht mehr der Kleine bleiben konnte. Er ist auf ein Format gewachsen, das dem schon in wenigen Wochen auf den Markt kommenden XC 40 unten Platz schafft und ihm selbst einen Auftritt beschert, der beim Publikum Staunen auslöst. Heiliges Smorebrod, ist der groß geworden. Aber, keine Sorge, im Alltag ist der neue ein umsichtiger Begleiter, er lässt sich mit leichter Hand dirigieren, und auf großer Fahrt spielt er erfreuliche Qualitäten des Komforts aus. Die Sitze sind vorzüglich, die Raumausbeute ist gut, der Innenraum mit treffsicherem skandinavischem Geschmack wunderschön zubereitet. Die Platzverhältnisse sind großzügig, auch hinten, dort stört allein eine das Schienbein attackierende harte Unterkante der Verkleidung an den Vordersitzen.
Etwas mehr Feinschliff vertrüge indes das Fahrwerk, das insbesondere bei gemächlicherer Fahrt nervös auf Querfugen reagiert. Obgleich mit der optionalen und aufwendigen Luftfederung versehen, verhindert seine Zittrigkeit die Verleihung der Bestnote. Als Standard wird eine Doppelquerlenker-Aufhängung vorn und eine Integralachse mit Querblattfeder hinten angeliefert. Diese Combo bewegten wir vor kurzem auf einer ersten Testfahrt und notierten: Lenkung und Fahrwerk überzeugen mit Präzision und Komfort. Bisweilen wirken die Dämpfer gar einen Hauch zu sanft ausgelegt, dann ist die Wahl des Dynamik-Modus gefragt. Kurven sind nicht das bevorzugte Metier, wohl aber die Langstrecke. So ist es. Frankfurt–München–Frankfurt an einem Tag war keine Qual.
Fahrbericht : Volvo XC 60
Weil uns natürlich kein Klischee zu billig ist, sind wir zu Ikea gefahren und haben eingeladen, was ging. Es ging einiges. Die Rückbank lässt sich geteilt klappen und flach legen, die Ladekante ist angenehm tief, der XC 60 ist also nicht nur schön, sondern auch praktisch. Fehlerfrei ist allerdings auch der jüngste Volvo nicht, das ist ärgerlich. Im XC 90 sorgten Elektronikprobleme und Fehlangaben des Navigationssystems für Verdruss unter den ersten Kunden. Die sind im XC 60-Testwagen nicht aufgetreten. Die Schweden haben das Menü der Informationseinheit neu gestaltet. Die Software soll resistent sein gegen Systemabstürze. Dafür war jetzt die Fahrertür schief eingepasst. In geschlossenem Zustand verhakte sich die Aluleiste am oberen Rand mit jener der hinteren Tür, was beim Öffnen für knirschende Geräusche sorgte und zudem nicht recht akkurat ausschaute. Weitere Mängel waren nicht zu beklagen, der Volvo ist adrett zubereitet und grundsätzlich fein verarbeitet.