Fahrbericht Audi E-tron : Laden will gelernt sein
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Bild: Helge Jepsen
Die Elektromobilität ist die Zukunft, behaupten viele. Nur weiß man nicht, wann sie beginnt. Zwei Wochen mit dem großen elektrischen Audi zeigen einmal mehr, wo es noch hakt.
Uns geht es gut. Wir haben mehr als 115 000 Euro in den rein elektrischen Audi E-tron Sportback investiert, fühlen uns wohl dabei und sind Teil der automobilen Zukunft. Das 4,90 Meter lange Coupé-SUV hat an jeder Achse einen Elektromotor, die zusammen 265 kW (360 PS) und 561 Newtonmeter maximales Drehmoment abliefern. Im Boost-Modus stehen gar für acht Sekunden 300 kW (408 PS) und 664 Nm zur Verfügung. So lässt es sich in 5,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit wird auf 200 km/h limitiert, das sind immerhin 20 km/h mehr, als Volvo seinen Kunden noch zutraut. Eine 95-kWh-Batterie, die flach im Wagenboden liegt und den Nutzraum in keiner Weise einschränkt, verspricht große Reichweiten.
Das hört sich doch alles wunderbar an, doch die elektrische Realität sieht anders aus. Wer reichlich 100 000 Euro für ein neues Auto ausgegeben hat, will für sein Geld vielleicht doch mehr als 300 Kilometer echte Reichweite, ganz abgesehen von den „Tankpausen“. Doch der Reihe nach. Ohne 11-kW-Wallbox entweder zu Hause oder im Büro kann man eigentlich nicht zum E-tron raten, sonst irrt man mitunter durch die Stadt und sucht vergeblich eine freie Ladesäule, die mittlerweile doch recht gut frequentiert sind. Unsere Rettung war schließlich der Audi-Händler in Hofheim. Danke nochmals! Die einfache Steckdose daheim ist keine Option. Sie lädt nur mit 2,7 kW, somit brauchte man gut 30 Stunden, um die Akkus wieder auf 100 Prozent zu bringen. Eine 11-kW-Wallbox verkürzt den Ladevorgang auf gut acht Stunden, damit kann man leben und über Nacht laden oder eben Nine-to-Five im Büro.
Und die Fernfahrt? Morgen findet ein Termin in Würzburg statt. Für den vollen Akku beim Start hat der besagte Audi-Händler gesorgt. Es sind einfach 150 Kilometer, das geht locker. Wo es schnellen Strom gibt, weiß der Audi von allein, das Navi kennt alle Säulen, Audi bietet zudem mit dem Wagen eine Karte an, die zum eigenen „E-tron Charging Service“ gehört. Geboten werde Zugang zu mehr als 140 000 öffentlichen Ladepunkten in 24 europäischen Ländern. Auf dem Rückweg wird der Rasthof Spessart an der A 3 angesteuert, dort werden vier freie Ladesäulen von Ionity in Aussicht gestellt. Stimmt. Laden kann die Batterie mit bis zu 150 kW mit Gleichstrom, dann reicht tatsächlich eine halbe Stunde für einen Stopp, um in unserem Fall wieder auf 94 Prozent Füllstand zu kommen. Nochmal zum Verständnis: Der Strom zu Hause ist Wechselstrom. Für ihn hat der E-tron zwei Ladepunkte, links und rechts vorn an der Seite. Gleichstrom geht aber nur links. Hier hängt das nötige Kabel auch immer an der Säule. Das Mode-3-Kabel für 11 kW gehört wie das Steckdosen-Kabel zur Serienausstattung. Praktisch: Beide finden im Motorraum unter einer Abdeckung Platz, so liegen sie nicht im Kofferraum herum.
Nach 36 Minuten sind die Akkus voll
Wie gesagt, eine echte Reichweite von rund 300 Kilometer ist realistisch. Als der nächste Termin anliegt, dieses Mal in Köln, leisten wir uns sogar den Luxus, mit nur „Dreiviertelvoll“ loszufahren. 160 Kilometer sind es vom Startpunkt aus, als Marschtempo werden 110 km/h eingestellt – der adaptive Tempomat funktioniert perfekt –, und wir nehmen dann auch die Rückfahrt ohne Nachladen in Angriff. Mit 83 Kilometer Restreichweite steuern wir den Autohof in Bad Honnef an. Wieder geht es an eine von vier freien Ionity-Säulen. Wieder wird die Ladekarte sofort erkannt. Nach 36 Minuten sind die Akkus voll. Immerhin. Mit einem herkömmlichen Auto wäre natürlich gar keine Pause nötig gewesen. Bei 110 km/h zeigt der Bordcomputer einen Verbrauch von exakt 20 kWh auf 100 Kilometer an, bei stoisch 120 km/h sind es schon 25, und wer es noch eiliger hat, sieht den Reichweitenpuffer sehr schnell schmelzen.