Fahrbericht Audi A4 G-Tron : Erdgas wird nicht der neue Diesel
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Wir waren mit dem A4 Avant G-Tron zwei Wochen unterwegs. Bild: Hersteller
Wendet sich die Welt vom Diesel ab, braucht sie andere Arten des Antriebs. Erdgas wird oft als gute Alternative genannt. Wir schickten den Audi A4 G-Tron auf Testfahrt.
VW sagt, dass Erdgas er neue Diesel werde. Eine Mobilitätsoffensive unter Führung von Volkswagen will den Bestand von rund 100 000 Erdgasfahrzeugen in Deutschland auf eine Million im Jahr 2025 erhöhen. Die Zahl der Tankstellen, derzeit sind es nur 900, soll auf 2000 anwachsen. Der CO2-Ausstoß eines Erdgasfahrzeugs sei 25 Prozent geringer als bei einem Benziner, und dank der bis 2026 verlängerten Subvention des CNG, des Compressed Natural Gas, seien die Chancen für einen Durchbruch des alternativen Kraftstoffs so gut wie nie.
Erdgas soll der Hebel sein, um den von 2020 an geltenden europäischen Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer einzuhalten. Nachdem der gute Ruf des Dieselmotors ruiniert wurde, soll die Flottenemission nun mit dieser Technik gesenkt werden. Doch die Käufer bleiben skeptisch. Weniger als 200 Erdgasfahrzeuge werden im Monat zugelassen, der Markt stagniert. Nichtsdestotrotz präsentiert Audi jetzt seinen A4 Avant mit Erdgas, also in einem Fahrzeug, das gern als Dienstwagen genutzt wird.
Wir waren mit dem A4 Avant G-Tron zwei Wochen unterwegs. Mit 170 PS und einem Drehmoment von 270 Newtonmeter ist der A4 G-Tron dem seit 2014 angebotenen Audi A3 G-Tron mit 110 PS und 200 Newtonmeter deutlich überlegen. Er ist mit einem manuellen Sechsgang-Schaltgetriebe oder, wie unser Modell, mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe erhältlich und fährt bivalent: Es gibt neben den vier Erdgastanks, die insgesamt 19 Kilogramm fassen, einen Nottank für 25 Liter Benzin, wenn man im Ausland unterwegs ist oder keine Erdgastankstelle in Reichweite ist.
Die recht voluminösen Erdgasbehälter, Drucktanks aus Kohlefaser, sind im Unterboden des Audi verstaut. Man merkt davon nicht viel. Nur der Ladeboden wurde um 3,5 Zentimeter angehoben, so bleiben noch immer 415 Liter Kofferraumvolumen bei aufrechter Rückbank und 1415 Liter nach dem Umklappen derselben. Die Einlassstutzen für Erdgas und Benzin liegen nebeneinander hinter der Tankklappe, und so ist der Erdgas-Audi auf den ersten Blick nicht von einem Benziner oder Diesel zu unterschieden. Die CO2-Emissionen liegen zwischen 102 und 117 g/km im Erdgasbetrieb, also gleichauf mit den kleinen Dieselmotoren des A4 Avant.
Dass Erdgas das neue Diesel sein könnte, will Audi auch mit der angegebenen Reichweite unterstreichen: Der G-Tron fährt mit Erdgas, bis der Tank leer ist. 500 Kilometer, sagt Audi. Dann erfolgt automatisch das Umschalten auf Benzin, weitere 450 Kilometer, verspricht der Hersteller. Nur leider beziehen sich die Angaben auf den NEFZ-Zyklus, und unsere mehr als 1500 Kilometer im typischen Drittelmix sprechen eine andere Sprache. Wir benötigten zwischen 5,5 und 6,5 Kilogramm Erdgas für 100 Kilometer, und waren eher zurückhaltend als sportlich unterwegs. Die maximale Reichweite im Erdgasbetrieb bei vorsichtiger Fahrt betrug 340 Kilometer. Im Benzinbetrieb rechne man mit realistischen acht Liter auf 100 Kilometer, die Zusatzreichweite des zweiten Tanks liegt also bei etwas mehr als 300 Kilometer.
Lediglich sechs Prozent aller Tankstellen führen Erdgas
In der Praxis ist man öfter, als einem lieb ist, auf Tankstellensuche, wenn man den Erdgasvorteil ausschöpfen möchte. Samstagmorgen starteten wir im Taunus, tankten nahe der A3 bei Limburg und hatten uns schon darauf vorbereitet, am Ziel in Essen, nur 170 Kilometer entfernt, abermals tanken zu müssen. Weil lediglich sechs Prozent aller Tankstellen Erdgas führen und dort gern die einzige Zapfstelle besetzt ist, der Tankvorgang an sich länger dauert als die Benzinbetankung, ist man schnell genervt von den ständigen Zwischenstopps.
Der Diesel-Vielfahrer tankt einmal die Woche, der Erdgas-Vielfahrer jeden zweiten Tag. Das Navigationssystem des Audi A4 kennt die Erdgastankstellen, aber auf längeren Touren muss man im Internet vorab planen, um Umwege zu minimieren. Die Autobahn verlassen, 20 Kilometer über die Landstraße und durch Dörfer fahren, um dann endlich tanken zu können? Das kann es nicht sein.
Auf der Autobahn sind 170 bis 180 km/h als flottes Reisetempo des A4 schnell erreicht, danach dauert es quälend lang bis zur Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h. Der Standardspurt auf 100 km/h ist in 8,5 Sekunden absolviert. An ältere, lahme Erdgas-Autos erinnert hier nichts. Der Vierzylinder-Benzindirekteinspritzer kommt natürlich mit Turbo. Wer indes einen Seitenblick auf das monovalente Benzin-Pendant riskiert, sieht sofort, dass der A4 2.0 TSFI doch ein bisschen mehr zu bieten hat: 190 PS und 320 Newtonmeter sowie nur unwesentlich höhere CO2-Emissionen. Ist der Benziner als Kombi bereits für 38 100 Euro zu haben, kostet die Erdgasvariante mindestens 40 300 Euro. Ab wann rechnet sich der Aufpreis von 2200 Euro? Fährt man nur Erdgas, kosten 100 Kilometer bei dem von uns ermittelten Durchschnittsverbrauch von 5,9 Kilogramm CNG 6,84 Euro. Der Benzin-Bruder stünde bei 10,80 Euro. Erst nach 55 000 Kilometern könnte man den ersten Groschen ins Sparschwein werfen. Erdgas ist ungeachtet der staatlichen Subventionierung viel zu teuer. Autogas, das ebenfalls subventioniert wird, aber nur noch bis 2022, kostet lediglich 50 bis 60 Cent je Liter.
Lob verdient Audi für die Integration des bivalenten Antriebs in Bediensystem und Cockpit. Zwei Tankuhren zeigen die Füllstände von Benzin und Gas auf einen Blick, und im Kombiinstrument zwischen Drehzahlmesser und Tachometer wird die Reichweite mit dem jeweiligen Brennstoff optisch hübsch visualisiert. Auch der Bordcomputer ist für beide Brennstoffe gerüstet. Ein manuelles Umschalten zwischen Erdgas und Benzin ist nicht vorgesehen, die Vorfahrt für den alternativen Antrieb ist also fest einprogrammiert. Nur darf man bezweifeln, dass Erdgas das neue Diesel wird.