Elektro-Lastenrad ausprobiert : Für Familien und Lieferhelden
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Aufs Rad lässt sich mehr packen, als man tragen möchte. Bild: Pardey
Der Faltradspezialist Tern bringt einen kompakten Lastesel statt eines sperrigen Fahrzeugs. Ein Wocheneinkauf für die junge Familie ist mit diesem Rad überhaupt kein Problem.
Lange Zeit sind Lastenräder, egal von welcher Bauart, die Sache von Tüftlern und Spezialisten in der Nische einer Nische gewesen. Das hat sich im Zuge der Elektrifizierung und der damit einhergehenden neuen Popularität des Fahrrads für das Transportieren größerer Volumen und Gewichte etwas gewandelt. Auch Mainstream-Hersteller entwickelten eigene Lastenräder, beispielsweise für die Post-Zustellung. Nun bringt Faltradspezialist Tern in diesem Frühjahr das Modell GSD mit dem Bosch-Mittelmotor (Performance Line) als Antrieb auf den Markt. Vertrieben von Hartje, zielt das Kompaktrad zum Grundpreis von rund 4000 Euro (mit einem 500-Wattstunden-Akkupack, vorbereitet für einen zweiten) auf junge Familien wie auf Lieferhelden.
Zunächst: Das GSD ist kein Faltrad. Lediglich die Lenksäule lässt sich um- und damit der Lenker mit dem Rahmen fluchtend anlegen, was beim Abstellen die Sperrigkeit mindert. Mit noch einem zweiten Handgriff – Einschieben der Sattelstütze – lässt sich das GSD auf ein um 30 Prozent in der Höhe und 40 Prozent in der Breite verringertes Maß bringen, wie Tern verspricht. So soll das Lastenrad beispielsweise in einen VW Touran passen. Dank einer Länge von 1,81 Meter, die einem herkömmlichen 28-Zoll-Fahrrad entspricht, ist das auf 20-Zoll-Rädern mit breiten Felgen und Schwalbe-Super-Moto-Reifen laufende GSD beim Rangieren handlich. Angenehm erschienen der 50 Zentimeter niedrige Durchstieg und die entspannte, nicht zu aufrechte Sitzposition. Mit den auf dem Bild zu sehenden Front- und Heckgepäckträgern für Kisten im Standardformat (hinten 60 × 40, vorn 40 × 30 Zentimeter), die ein an- und abschraubbares Zubehör sind, ist die Wendigkeit, etwa beim Schieben oder im Fahrstuhl, nur geringfügig eingeschränkt. Beladen oder nicht fährt sich das GSD für ein Lastenrad agil, aber auch wohltuend ruhig und sicher.
Auf einer Probefahrt mit Ladung (18 Kilogramm vorn, 15 Kilogramm hinten) im hügeligen Stuttgart erwiesen sich die 10-fach-Kettenschaltung und die hydraulischen Scheibenbremsen (Magura MT 5) nicht als Luxus. Das Kürzel GSD steht übrigens für das optimistische Motto „Get Stuff Done“, was sich in diesem Fall mit einem „Krieg’s hin“ frei und angemessen doppeldeutig übersetzen lässt. Zum Lieferumfang gehören zwei lange 30-Liter-Packtaschen am hinteren Rahmenträger; auf den passen statt des Tragkorbs hintereinander zwei Kindersitze und an ihn alternativ auch Trittbretter und eine Sitzgelegenheit für größere Passagiere.
Ein Wocheneinkauf für die junge Familie ist mit diesem Rad überhaupt kein Problem. Zwölf Liter Milch, 20 Liter Wasser, das Gemüse für den veganen Alltag, das gute Bauernbrot und gesunde Snacks, aber auch zweimal einen Viererpack Küchenrolle und dazu Öko-Klopapier, das wurde praktisch ausprobiert. Da bleibt man ganz locker als Packmeister wie als Chauffeur. Es ist ja nicht immer nur das schiere Gewicht, was einen Einkauf mit dem herkömmlichen Rad schwierig macht. Selbst wenn das für die Radreise taugliche Packtaschen hat, bereitet das Volumen häufig Probleme. Die Riesenvorratspackung Toilettenpapier wiegt zwar fast nichts, aber sie ist sperrig. Und der Karton Milchtüten ist zwar schön kompakt, aber schwer, und hat außerdem Maße, die gerade nicht mehr in die wasserdichte Transporttasche passen, sondern allenfalls kofferraumtauglich sind. Doch mit dem Tern GSD und den optionalen Trägern muss nichts umgepackt werden; ob Joghurtpalette oder Bierkasten, man lädt eher auf als ein.
Im vergangenen Jahr wurden daheim alle mit Fahrrad und Lastenanhänger erledigten Einkäufe akribisch gewogen. Man macht sich da ja leicht etwas vor – oder schätzt Prospektangaben zur Tragkraft eines Rades oder Hängers falsch ein. Ein ganzer Supermarkt-Einkaufswagen mit einem Mix von Lebensmitteln unterschiedlicher Art wog nach den Überprüfungen meist nur zwischen 23 und knapp 30 Kilogramm; selten, meist im Sommer wegen größerer Mengen an Getränken, wurde die 35-Kilogramm-Marke überschritten. Gewichte dieser Größenordnung sind für die Zuladungsgrenze des Tern GSD von 152,5 Kilogramm ein Klacks. Das gilt auch dann, wenn allein der Fahrer die Höchstmarke von 120 Kilogramm tangieren sollte (was die Körpergröße angeht: das GSD passt von 1,50 bis 1,95 Meter, sagt Tern). Das maximale Systemgewicht (Fahrrad, Fahrer und Zuladung) darf sich – bei einem Leergewicht des Fahrzeugs von 27,5 Kilogramm auf dem Papier – zu 180 Kilogramm summieren. Bei normalgewichtigen Benutzern (etwa 75 Kilogramm) kann die beförderte Last also rund 77,5 Kilogramm wiegen. Oder anders ausgedrückt: Zwei Einkaufswagen voll. Das dürfte auch für Kind und Kegel reichen.