Die schnellsten Trimarane : Jenseits der Vorstellungskraft
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2921 nasse, ruppige, gefährliche Seemeilen oder 5410 Kilometer misst die Strecke vom Ambrose-Leuchtturm vor New York bis Lizard Point am äußersten südwestlichen Zipfel Cornwalls. Der wetterwendische, von rasch aufziehenden Tiefdruckgebieten heimgesuchte Nordatlantik gilt als Eiger Nordwand der Segler. Zwar hilft der Golfstrom ein wenig mit, doch wehe, wenn er das Meer gegen einen Ostwind schiebt. Dann wird der Atlantik zur brutalen Piste mit eklig steilen Wellenbergen, die Schiff und Mannschaft mürbe machen.
Aus Anlass des Kaiser-Pokals Anno 1905 absolvierte der 68 Meter lange Dreimastschoner „Atlantic“ die Strecke in zwölf Tagen und vier Stunden. Das größte Handicap des kühnen Skippers Charles Barr waren damals übrigens sein Boss, der Eigner der Yacht, und dessen Freunde. Die bekamen unterwegs im Sturm Angst und wollten anhalten, weshalb Barr die Hasenfüße unter Deck einsperren musste. Der Rekord der knapp 400 Tonnen schweren, von 1700 Quadratmetern angetriebenen Hochseelokomotive schien lange unerreichbar.
Neue Segeltechnologie
Es brauchte eine Art neuer Segeltechnologie, um diese seglerische Meisterleistung zu toppen. Mehrrumpfboote bieten bei geringem Gewicht und allerhand aufrichtendem Moment gegenüber dem Winddruck in der Besegelung die ideale Plattform, um in ganz andere Geschwindigkeitsbereiche vorzudringen, als es mit einer herkömmlich einrümpfigen Verdrängeryacht, egal, wie groß sie ist, möglich wäre. Die krakenartig breiten Katamarane und Trimarane (Zwei- und Dreirumpfboote) brauchen keinen Ballast. Routiniert und kaltblütig gesteuert, behalten sie ihre aufrechte Schwimmlage praktisch immer bei.
1980 gelang es dem bretonischen Segelprofi Eric Tabarly mit seinem Tragflügeltrimaran „Paul Ricard“, die Zeit inoffiziell, nämlich außerhalb einer Regatta, um zwei Tage zu unterbieten. Doch so beeindruckend die Passage in zehn Tagen war und so innovativ das französische Dreirumpfboot: in Aluminium war das gut 16 Meter lange Sieben-Tonnen-Boot zu schwer. Es gelang der „Paul Ricard“ nie, auf die unter die seitlichen Rümpfe montierten Tragflügel zu steigen und mit minimalem Wasserwiderstand in andere Geschwindigkeitsbereiche vorzudringen. Immerhin war der Prototyp des Tragflügel-Hochseetrimarans damals schon entwickelt.
Zwei tollkühne französische Crews
Einstweilen wurde das Mehrrumpfsegeln mit tragflügellosen Booten in leichter wie belastbarer Faserverbundbauweise vorangetrieben. Damit bretterten zwei tollkühne französische Crews diesen Sommer in einer Manier über den Atlantik, dass jedem Segler die Spucke wegbleibt. Nach anderthalbmonatiger Wartezeit legten Ende Juli der eigens für Hochseerekorde entwickelte 40-Meter-Trimaran „Banque Populaire V“ und die drei Jahre alte, für neue Segelrekorde modifizierte „Groupama 3“ in New York ab. Deren meteorologische Berater sahen Donnerstag, den 30. Juli, das lang ersehnte Wettersystem mit passenden Windverhältnissen. Es sollte reichlich aus der richtigen Richtung, aus Süd bis Südwest, wehen. Im Abstand von zwei Stunden gingen beide Trimarane für eine Rekordjagd auf dem Backbordschwimmer auf die Reise, die allen Ernstes mit 36 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit begann. Freitag segelte „Groupama 3“ mit 800 Meilen einen neuen 24-Stunden-Rekord. Am nächsten Tag steigerten Franck Cammas und seine neunköpfige Crew das Etmal auf 841 Meilen, um Samstag von der „Banque Populaire V“ mit einem kaum glaublichen 908-Meilen-Ritt innerhalb eines Tages geschlagen zu werden.
Wie die Videos der Internetseite www.voile.banquepopulaire.fr zeigen, erfolgte die Rekordfahrt über den Atlantik im Wesentlichen zweistrahlig vor dem Kielwasser des linken Rumpfes und des Mittelschwimmers. Nach drei Tagen, 15 Stunden und 25 Minuten hatte der Trimaran Lizard Point im Südwesten Englands querab. Die gesegelte Durchschnittsgeschwindigkeit über den Atlantik: annähernd 33 Knoten (61 km/h). Die „Banque Populaire V“ wurde stundenlang mit Spitzengeschwindigkeiten von 40 bis 45 Knoten gesegelt. Zur Orientierung: Ein Wasserskiläufer erreicht etwa 13 Knoten bei Gleitfahrt auf beiden Skiern. Der Cunard Liner „Queen Mary 2“ schafft 30 Knoten Spitze.