HbbTV : Ein Industrie-Standard fürs Web-TV
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Online-Programmführer auf der Basis von HbbTV Bild: Hersteller
Die rote Taste am Fernseher lotst in die Online-Welt. Einfach mit der Fernbedienung anklicken, und schon poppen Youtube, Picasa oder der Internet-Wetterbericht auf die Bildfläche. Wird HbbTV jetzt zur Einheitstechnik?
Panasonic nennt es VieraCast, Sony Internet TV, LG in kongenialer Diktion Web TV, Samsung hat sich den Namen Internet@TV ausgedacht. Hinter all dem, man muss nicht lange raten, steckt die Fähigkeit der jüngsten Fernseher-Generation, neben den Angeboten der Spezies Rundfunk nun auch noch das Internet auf die Mattscheibe zu holen - mit Hilfe von bunten virtuellen Bildschirm-Tasten, die an die Apps des iPhone erinnern und auch so ähnlich funktionieren: Einfach mit der Fernbedienung anklicken, und schon poppen Youtube, Picasa oder der Online-Wetterbericht auf die Bildfläche.
Das Fatale an der bunten neuen Online-Welt: Jeder Hersteller kocht bislang noch sein eigenes Technik-Süppchen und definiert damit zugleich sein eigenes Web-Portal. Den größten Nachteil davon haben die Anbieter fernsehgerechter Internetinhalte: Sie müssen ihre Botschaften gleich für ein halbes Dutzend Plattformen und Portale parallel aufbereiten, wenn sie auf den Bildschirmen aller bedeutenden Fabrikate vertreten sein wollen. Indirekt leidet darunter auch die Angebotsvielfalt: Hätte die Technik-Kleinstaaterei ein Ende, so könnten sich die einschlägigen Dienste viel kostengünstiger, schneller und folglich in bunterer Auswahl entfalten.
Ebendies hat sich „Hybrid Broadcast Broadband TV“ (HbbTV) zum Ziel gesetzt, die Spezifikation eines Konsortiums aus dem Münchner Institut für Rundfunktechnik (IRT), großen europäischen Senderfamilien, Software-Häusern, den Satellitenbetreibern Astra und Eutelsat sowie gewichtigen Geräteherstellern. Anfang Juli erhielt HbbTV die höheren Weihen einer veritablen Industrienorm, erteilt durch die zuständige europäische Standardisierungsorganisation ETSI. Kommt jetzt die Einheitstechnik für alle - und damit der Durchbruch eines Trends, den die Medienexperten als Konvergenz von Fernsehen und Internet seit Jahren wie ein Mantra beschwören?
Der neue Standard stützt sich auf bereits etablierte Techniken
Das Potential von HbbTV spräche dafür: Der neue Standard stützt sich auf bereits etablierte Techniken, etwa einen Browser, der die Sprache CE-HTML versteht, also eine Programmierung, die sich von Standard-Websites nur durch eine einfachere, wohnzimmergerechte Gestaltung unterscheidet. Ein weiteres HbbTV-Element bindet Fernsehen und Internet durch sogenannte Referenzierung zusammen: Der Fernsehsender kann programmbegleitend eine Art Link ausstrahlen, der direkt in zusätzliche Online-Angebote führt. Dann genügt ein Druck auf die rote Taste der Fernbedienung, um vom Fernsehprogramm ins Internet zu wechseln. Damit wären auch die Tage des antiquierten Teletext gezählt: HbbTV kann diesen pensionsreifen Dienst mit wesentlich opulenter gestalteten Internetsites ersetzen - samt komfortablem Programmführer.
Die ARD setzt HbbTV bereits seit Monaten ein, das ZDF will folgen und damit seine eigenen Online-Angebote wie die Mediathek nahtlos mit dem Fernsehen verheiraten. Ziehen Private und die Gerätehersteller ebenfalls mit? Skeptiker bezweifeln es: Eine Vorläufer-Technik, die Multimedia Home Platform (MHP), ist seinerzeit an mangelnder Akzeptanz krachend gescheitert. Die Privaten zieren sich noch, weil ihnen die enge Verzahnung des eigenen Programms mit dem Internet unter Konkurrenzaspekten unheimlich ist. Und: Hersteller wie Sony, Panasonic oder Samsung werden ihre eben erst etablierten Internetportale nicht gleich wieder zugunsten der Einheitstechnik aufgeben. Immerhin wollen LG, Toshiba, Loewe und Philips noch in diesem Jahr mit HbbTV-tüchtigen Geräten starten, Settop-Boxen von Humax und Videoweb beherrschen die Technik schon, Technisat will nachziehen. Denkbar sind auch Szenarien, in denen proprietäre Internet-Zugangstechniken wie Panasonics VieraCast gemeinsam mit HbbTV in einem Gerät stecken. Dafür sprechen noch zwei weitere Aspekte: HbbTV kommt, anders als etwa das geplante Projekt Google TV, mit den Rechenleistungen aus, die moderne Fernseher heute mitbringen; zusätzliche Hardware ist überflüssig. Und anders als seinerzeit MHP ist HbbTV nur mit marginalen Lizenzkosten verbunden.