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Daimler-Entwicklungschef : „Wir wollen die beste Batteriechemie bauen“

Elektriker unter sich: Vorstand Schäfer und das Modell EQS Bild: Daimler

Daimler setzt stärker denn je auf elektrische Modelle. Daimler-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer sagte der F.A.Z., wie und warum. Und Smart gibt preis: Der Neustart soll Ende 2022 mit einem elektrischen SUV beginnen.

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          Es hört sich noch immer surreal an, aber Markus Schäfer macht die Dimension unmissverständlich deutlich: Daimler und Mercedes-Benz, die Erfinder des Automobils, entwickeln keine neuen Verbrennungsmotoren mehr. Bis zum Jahr 2030 werden sie gar 70 Prozent ihrer Motorenvarianten aus dem Angebot streichen. „Der gerade eingeführte Vierzylinder hat unser Zielportfolio gefüllt“, sagt der Entwicklungsvorstand im Gespräch mit der F.A.Z. „Wir elektrifizieren die Verbrenner im gesamten Portfolio. Insgesamt fahren wir die Investitionen in diesem Bereich jedoch deutlich zurück und setzen hier künftig viel weniger Entwickler ein“.

          Holger Appel
          Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Technik und Motor“.

          Zu eindeutig scheinen ihm die politischen Weichenstellungen. Und dann ist da noch Euro 7 am Horizont. Die künftige Abgasnorm droht derart scharf zu werden, dass die Techniker kapitulieren. „Den Plänen zufolge sollen Autos die kaum noch messbaren Emissionswerte unter allen Bedingungen im Alltag einhalten, also auch bergauf mit Anhänger einen Pass hoch. Das überschreitet Grenzen der Physik“, sagt Schäfer. Die Konsequenz: Kleinwagen aller Hersteller werden wegen der Kosten womöglich verschwinden, und grundsätzlich wird das Auto teurer werden. „Ja, nachhaltige Mobilität hat ihren Preis.“

          Er warnt zugleich davor, in der Batterietechnologie kurzfristig Entwicklungssprünge zu erwarten, ein Akku zum Fahren werde noch viele Jahre um einiges teurer sein als ein konventioneller Antrieb. Schäfer spricht von einer längeren Übergangszeit, in der vor allem Plug-in-Hybride und elektrifizierte Verbrennungsmotoren eine tragende Rolle spielen werden. Dass die Kundschaft angesichts hoher Kosten, geringer Reichweiten und langer Ladezeiten noch nicht in großem Stile mitmacht, sieht er natürlich auch. Der Aufschwung der Elektromobilität werde in eigentlich allen Regionen der Welt derzeit nur durch Subventionen erreicht.

          Akku in 6 Minuten von 20 auf 80 Prozent laden

          Daimler richtet sein Augenmerk gleichwohl in diese Richtung, denn politisch scheint der Weg entschieden. Und die Gesellschaft fordert auch und gerade von der Autoindustrie mehr Umweltgewissen ein. „Wir führen das Unternehmen mit Nachdruck Richtung Nachhaltigkeit, unsere Fahrzeuge, aber auch unsere Fabriken und unsere Lieferkette“, sagt Schäfer.

          Zur Strategie gehört denn auch die sichtbarere Positionierung der für Elektromobilität erfundenen Submarke EQ. Schon im Frühjahr steht das nächste Modell an, der kompakte EQA, der 400 bis 500 Kilometer Normreichweite haben wird. Im Spätsommer kommt dann der elektrische, sich von der traditionellen S-Klasse deutlich unterscheidende EQS mit 700 Kilometern Reichweite gemäß WLTP-Norm. Schäfer verspricht nicht nur einen ausgefuchsten Hepa-Filter gegen luftige Angriffe auf die Gesundheit der Insassen, sondern auch der Luxusklasse angemessene Fahrleistungen mit mehr als 200 km/h Höchstgeschwindigkeit sowie Nachladen von 250 Kilometern Reichweite innerhalb von 15 Minuten. Denn vor allem daran, das ist klar, hängt die Kundenakzeptanz. „Wir müssen in der Erhöhung der Reichweite und in der Verkürzung der Ladezeit vorankommen. Wir haben Hundertschaften an diesem Thema sitzen und kooperieren mit Universitäten und Forschungseinrichtungen. Wir wollen die beste Batteriechemie bauen“, sagt der Entwicklungschef. Sein langfristiges Ziel, das eher an 2030 denn an 2025 knüpft: den Akku in 6 Minuten von 20 auf 80 Prozent laden. „Das ist dann wie heute an der Tankstelle“, sagt Schäfer.

          Heute freilich ist das noch anders, die schweren Akkus lasten auf Reifen, Fahrwerk, Karosserie, aktive und passive Sicherheit müssen erhöht werden, alles Kostentreiber. „Stimmt, wir haben hohe Hürden. Aber Ladeinfrastruktur und der für die Nachhaltigkeit notwendige grüne Strom werden sich entwickeln“, sagt Schäfer. Alle Teilmarken des Konzerns werden entsprechend vollelektrisch ausgerichtet, auch die Abteilung Attacke, wo ein potenter AMG-EQS naht.

          Für die in ein deutsch-chinesisches Gemeinschaftsunternehmen mit Geely überführte Kleinwagenmarke Smart gilt das ohnehin. Sie soll sich, die gewollte Distanz ist vielerorts zu spüren, neu erfinden, auf eigenen vier Rädern und vollelektrischer Basis. Ihre technische Orientierung stammt aus Ningbo, das Design aus Stuttgart. Renault, der bisherige Partner im Twingo-Smart-Duo, spielt keine Rolle mehr. „Wir wollen erwachsener werden und mehr Premium ausstrahlen“, sagt Statthalter Daniel Lescow. Smart werde keine Luxusmarke, aber gehobene Ansprüche erfüllen. Die Produktion in China soll die Preise niedrig halten. Es wird verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Reichweiten geben, Ende 2022 soll der Neustart beginnen. Wieder mit einem knuddeligen Zweitürer? „Nein“, sagt Lescow, „unser erstes Auto wird ein kompaktes SUV.“ So gesehen, sind die neuen Zeiten im Hause Daimler doch ein bisschen wie die alten.

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