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Streaming mit Spotify & Co. : Im Netz ist Musik drin

Die Idee der jederzeit verfügbaren Musik gibt’s schon länger: eine klassische Jukebox Bild: picture alliance / dpa

Helene Fischer oder Bruce Springsteen auf CD? Das braucht niemand mehr. Von Spotify & Co. werden ihre Lieder gestreamt. Ein aberwitziger Wettstreit entbrennt.

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          Das hören wir uns doch gleich mal an: Nach kleinen Fingerübungen auf dem Smartphone-Display ist das neue Album von Bruce Springsteen gefunden, und „High Hopes“ spielt zunächst am Taschentelefon und wenig später auf mehreren Lautsprechern im ganzen Haus, die mit W-Lan angebunden sind. Dass diese Übung so kinderleicht ist, erklärt den Erfolg des Musik-Streamings in aller Welt.

          Michael Spehr
          Redakteur im Ressort „Technik und Motor“.

          Man verzichtet auf jedweden Ballast: auf den physikalischen Datenträger, etwa die Audio-CD, auf seinen Einkauf im ohnehin selten gewordenen Plattenladen und auf die verkabelte Musikanlage mitsamt Verstärker. Und nicht zuletzt: Man verzichtet sogar darauf, die Musik zu besitzen, sei es als Schallplatte, Silberscheibe oder MP3-Datei. Allein das legale Hören von Musik ist in den entsprechenden Abonnements enthalten, indes für ein riesiges Repertoire von 20 Millionen und mehr Titeln. Für den Zugriff auf fast alle aktuellen Stücke zahlt man monatlich um die zehn Euro bei den verschiedenen Anbietern, das Geschäft brummt mit zweistelligen Wachstumsraten.

          Der Platzhirsch Spotify, 2006 in Schweden gegründet, dominiert den internationalen Markt. Spotify ist mittlerweile in mehr als 50 Ländern vertreten, zu den sechs Millionen zahlenden Abonnenten kommen weitere 18 Millionen Nutzer, die das Angebot werbefinanziert verwenden. Wahrscheinlich sind es deutlich mehr zahlende Kunden, denn die Angaben wurden seit März vergangenen Jahres nicht mehr aktualisiert. Die Umsätze explodieren: 2011 waren es 188 Millionen Euro in aller Welt, ein Jahr später mehr als doppelt so viel: 434 Millionen Euro. Aber Spotify hat noch nie Gewinn erwirtschaftet, 2011 lag der Verlust bei 45 Millionen Euro, 2012 bei 59 Millionen Euro. In diesem Geschäft geht es nur um Größe und Wachstum. Viele kleine Anbieter und selbst manche große Namen sind bereits vom Markt verschwunden. Napster heißt jetzt Rhapsody und versinkt ebenso in der Bedeutungslosigkeit wie der bekannteste deutsche Anbieter Simfy. Music Unlimited von Sony gilt als Flop, ähnlich trist ist Xbox Music von Microsoft aufgestellt. Google startete Ende vergangenen Jahres und kombiniert seine Flatrate mit einem Cloud-Angebot, bei dem man bis zu 20.000 Titel auf Google-Server schieben kann. Apple bietet keine Flatrate an, in Amerika lässt sich iTunes Radio unentgeltlich mit Werbe-Einblendungen nutzen, Gerüchten zufolge demnächst auch in Deutschland.

          Umsätze bestenfalls ein „Fluss der Cents“

          Auf Augenhöhe mit Spotify spielt Deezer, ein französischer Streaming-Dienst, der 2007 gegründet wurde und neben 20 Millionen Mitgliedern weitere fünf Millionen Abonnenten hat. Die immensen Einnahmen der Streaming-Anbieter gehen zu 70 Prozent zurück an Verwertungsgesellschaften und Musikfirmen, für jeden „gestreamten“ Song werden zwischen 0,6 und 0,9 Cent ausgezahlt. Die Künstler und Urheber werden damit aber nicht reich, denn sie wiederum erhalten nur einen Bruchteil der Ausschüttungen von Verlagen und Verwertern. Die Umsätze seien bestenfalls ein „Fluss der Cents“ („River of Nickels“), lautet die Klage.

          Nur die großen, marktführenden Musiklabels profitierten vom Streaming, heißt es hinter den Kulissen. Sie haben die Rechte auf ein Repertoire, das den Großteil aller Streams abdeckt. Bei Spotify, das mit mehreren Milliarden Dollar bewertet wird, kauften sich die „Majors“ schon vor fünf Jahren mit einem Anteil von 18 Prozent ein - und zahlten damals so gut wie nichts. Künstler, die unabhängig von einem Labelvertrag bei Spotify einsteigen wollen, erhalten zwar 90 Prozent der generierten Streaming-Umsätze, müssen aber hohe Einmalzahlungen an Mittelsmänner („Aggregatoren“) leisten. Irgendjemand ist also immer mit an Bord. Wie das Streaming-Geschäftsmodell auf Dauer funktionieren kann, ist eine spannende Frage. Denn mit jedem neuen Nutzer wachsen die Verbindlichkeiten gegenüber den Labels. Alle Anbieter wollen derzeit ganz schnell und ganz kräftig wachsen, koste es, was es wolle. Es werden dabei Millionen verbrannt.

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