Kopfhörer-Entwickler Axel Grell : Der Klang-Meister
- -Aktualisiert am
Axel Grell während seiner Lieblingsbeschäftigung Bild: Dethard Hilbig
Einst entwickelte er Kopfhörer, die bis heute zu den besten und teuersten der Welt zählen. Sie sind richtungsweisend für die Branche gewesen und bedienten einen ganz eigenen Markt. Nun geht Axel Grell neue Wege – und verfolgt dabei ein altes Ziel.
Axel Grell hat es immer noch nicht geschafft. Im Wikipedia-Eintrag zu Burgdorf fehlt er unter „Söhne und Töchter der Stadt“. Dabei wurde er dort 1962 geboren und lebt die meiste Zeit seines Lebens in dieser niedersächsischen Provinz in der Nähe von Hannover. Vielleicht interessieren sich die Stadtväter nicht für Kopfhörer. Es wird die Geschichte erzählt, dass Axel Grell auf Messen in Tokio von nicht wenigen japanischen Besuchern persönlich begrüßt wird, ohne dass ein Namensschild auf seine Identität hinweist.
Auf der High End in München, der wichtigsten Messe für Audioprodukte, heben immer wieder Menschen ihre Hand zum Gruß und begleiten die Bewegung mit den Worten „Hi Axel!“. Man kennt sich, die Besucher erkennen ihn, auch wenn über seinem Stand die Marken Heavys und Grell Audio stehen und nicht der Name Sennheiser, den viele erwarten würden.
Für das Unternehmen aus der Wedemark hat er unter anderem den legendären HD 800 entwickelt, den ziemlich viele Audiophile auf der Welt besitzen. Es war das Jahr 2009, als es um High-End-Kopfhörer noch still war. „Mit diesem Kopfhörer habe ich einen Markt für Kopfhörer über 1000 Euro aufgemacht“, sagt Grell. Audiophile kennen ebenso den HE-1. Nur besitzt ihn kaum einer – weil ihn sich kaum einer leisten kann. Er ist mit 50.000 Euro der teuerste Kopfhörer der Welt.
Lust am Argumentieren und Dozieren
Diese zwei Meilensteine im Leben von Axel Grell markieren grob den Aufstieg und Ausstieg bei Sennheiser, wo er direkt nach dem Studium der Elektrotechnik angefangen hat und 27 Jahre lang arbeitete. Ob jene Zeit seinen Charakter bis heute prägt oder er dort von Beginn an mit seiner ruhigen, unaufgeregten, professoralen Art hinpasste, lässt sich im Nachhinein schwer beurteilen. Aber er wirkt stets wie ein seriöser, konzentrierter Ingenieur, dessen prinzipielle Bereitschaft zum Witzigsein von der Lust am Argumentieren und Dozieren im Zaum gehalten wird. Es geht Grell meist um die Sache, um Dinge wie Frequenzgang, Membran, Klirrfaktor oder DSP. Er weiß es häufig besser als andere, ohne ein Besserwisser zu sein. Sein Selbstbewusstsein ist dabei so groß geworden, dass er sich fast ironiefrei als besten Kopfhörerentwickler der Welt bezeichnet.
Nachdem Axel Grell bei Sennheiser nicht nur mit dem HD 800 das audiophile Portfolio bereicherte, übernahm er 2014 für diesen Bereich die alleinige Verantwortung. Ein Jahr später, während der Feier zum siebzigjährigen Jubiläum von Sennheiser, enthüllte das Unternehmen in London den HE-1. Ihn zu machen sei „ein Fehler“ gewesen, sagt Grell sieben Jahre später. Sennheiser hätte besser „das Geld für die Entwicklung ins Marketing“ stecken sollen.
Sein härtester Vorwurf
Es rumorte damals schon. Grell war offenbar nicht einverstanden mit der Idee der Geschäftsführung, teure Marmorblöcke aus Italien zu importieren, auf denen effektheischend die Röhren des Verstärkers sitzen und wie von Geisterhand herausfahren, wenn man ihn anschaltet. Der Kopfhörer selbst sei 2013 schon fertig gewesen, sagt Grell.
Bis 2018 empfing er die Besucher auf der High End noch am Stand von Sennheiser. Ein Jahr später traf man ihn in den Gängen der Halle 1, wo er von seiner Kündigung sprach und als Consultant die Messe besuchte. Seine Gründe, den langjährigen Arbeitgeber zu verlassen, sind persönlicher und struktureller Art. Dass seine Frau Katrin Härtel als Designerin ein paar Monate vor seinem Abgang entlassen wurde, dürfte einer sein. Dass Sennheiser knapp zwei Jahre nach seiner Kündigung einen Käufer für den Consumerbereich gesucht und ein paar Monate später mit dem Schweizer Unternehmen Sonova einen gefunden hat, war die Folge einer bedrohlichen Entwicklung, die schon zu Grells Zeiten einsetzte. Er sei „traurig“ gewesen, als er von dem Verkauf hörte, und es tut ihm nur ein bisschen leid. Zu stark ist seine Kritik an dem Unternehmen, wenn man mit ihm über seinen ehemaligen Arbeitgeber spricht. Sein härtester Vorwurf: Selbst wenn es „Beweise“ für einen potentiellen Erfolg eines Projektes gab, ging niemand das Risiko ein und wollte „keine Verantwortung übernehmen“. Das habe ihn besonders enttäuscht.