Handymarkt : Der Spaß ist vorbei
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Die Luft ist raus und die Krise unübersehbar Bild: Hersteller
Es gibt keinen Zweifel: Nach zehn Jahren kontinuierlichen Wachstums ist die große Krise bei den Tophandys, die alles können, nicht mehr zu übersehen. Auf der Suche nach den Ursachen entdeckten wir: die Unfähigkeit der Hersteller.
Nach zehn Jahren kontinuierlichen Wachstums gibt es seit Ende 2008 eine Delle bei den Verkaufszahlen für Handys. Der Markt bricht ein und schrumpft in diesem Jahr um einige Prozent, prognostizieren nahezu gleichlautend alle Studien der Marktforscher. Nur im Bereich der teuren Smartphones ist heuer mit einem Wachstum zu rechnen. Hier verliert jedoch der Primus Nokia zunehmend Marktanteile an Apples iPhone und Research in Motion mit den Blackberrys.

Redakteur im Ressort „Technik und Motor“.
Nach unserer subjektiven Einschätzung spiegeln die nackten Zahlen indes einen grundlegenden Wandel im Mobilfunkbereich wider: Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo die Netze so gut ausgebaut und die Preise so niedrig sind wie nie, das Handy mit seinen vielen Möglichkeiten und Optionen gar zum Minicomputer geworden ist, fehlt es an spannenden Geräten, welche die Begeisterung und den Fortschritt weitertragen könnten: Die Luft ist raus, die Zeit der spektakulären Innovationen offenbar vorbei.
Dasselbe Betriebssystem, dieselbe mickrige Displayauflösung
Was in der Vergangenheit den Markt vorantrieb, das war nicht das Handy zum Telefonieren, sondern der Heißhunger der technikaffinen Gadget-Generation auf stets neues Spielzeug, die Revolution im Halbjahrestakt. Und nun erleben die „Tekkies“ geradezu eine Abfolge von Enttäuschungen: Nokia präsentiert anderthalb Jahre nach dem einst spektakulären N95 einen Nachfolger. Aber das N96, das für mehr als 700 Euro im Herbst in den Handel kam, ist nur ein zweiter Aufguss ohne grundlegende Verbesserungen, zudem miserabel verarbeitet und völlig überteuert.
Der Marktführer stellt zwar ein neues Modell nach dem anderen vor. Aber es sind stets Variationen eines Themas: dasselbe Betriebssystem, dieselbe mickrige Displayauflösung, mal wird Wireless-Lan weggelassen, mal der GPS-Empfänger, gelegentlich bekommt die Kamera eine aufwendigere Optik. Null Fortschritt, und das verwendete Plastik wird immer billiger.
Sony Ericsson hat unlängst sein Betriebssystem UIQ für Businessgeräte eingestellt. Damit liefen einst legendäre Kommunikationstalente der Oberklasse. Zum Schluss war es nur noch ein Schatten seiner selbst, nahezu unbedienbar und vollkommen verbastelt. Derzeit gibt es von dem Gemeinschaftsunternehmen lediglich ein anspruchsvolles Topprodukt für Geschäftsleute, und das läuft mit Windows Mobile. Im mittleren und unteren Segment konzentriert man sich vor allem auf schicke Kamerahandys wie das C905, das allerdings in Sachen Verarbeitungsqualität nicht überzeugt.
Eine Abfolge von Enttäuschungen für die Handy-Generation
Motorola landete zuletzt 2004 mit der flachen Razr-Serie einen Überraschungserfolg. Von einigen Designvariationen abgesehen, kam danach nichts Neues, keine einzige Innovation. Im gehobenen Segment bieten die Amerikaner derzeit nur ein uraltes Smartphone Motorola Q9 mit Windows Mobile an. Viele Branchenexperten vermuten, dass sich Motorola in diesem Jahr vom europäischen Handymarkt zurückzieht. Von der Schwäche der ehemals Großen profitieren die Kleinen. Samsung und LG sind klare Gewinner bei den einfachen Modellen für den Massenmarkt, Samsung wagt gelegentliche Ausflüge in die Oberklasse mit Symbian- oder Windows-Mobile-Geräten.
Auf Microsoft setzt ferner HTC als Newcomer. Das taiwanische Unternehmen bemüht sich redlich, das betagte Windows Mobile mit einer halbwegs nutzerfreundlichen Oberfläche aufzuhübschen. Aber das Kernproblem bleibt: So leistungsfähig und vielseitig Windows Mobile auch sein mag, es ist umständlich zu bedienen, geht verschwenderisch mit allen Ressourcen um, und es hat weder Chic noch Charme. Windows Mobile in der Version 7 kommt vermutlich erst 2010 und soll sich mit Gestensteuerung und verbesserter Fingerbedienung am iPhone orientieren.