Fallstrick Superflatrate : Wenn Vodafone 290 Euro kassiert
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Ein Smartphone kappt die Verbindung zum Internet nie Bild: dpa
Vodafone hat eine erschreckend hohe Rechnung geschickt. 290 Euro fordert der Mobilfunkanbieter allein für Datentransfer. Die Geschichte wiederholt sich. Es scheint also kein Einzelfall.
Vodafone hat eine erschreckend hohe Rechnung geschickt. Schon nach zwei Tagen sind außerordentliche Gebühren angefallen. 290 Euro fordert der Mobilfunkanbieter allein für Datentransfer. Die Aufregung unter einigen Lesern ist groß. Die Geschichte wiederholt sich oft und nimmt stets die gleiche Wendung, so dass man annehmen darf, es handele sich nicht um Einzelfälle ahnungsloser Kunden, die vom Handy aufs Smartphone wechseln oder mit einer vermeintlich günstigen Superflat in die Smartphone-Welt einsteigen - sondern um einen Marketingtrick.
Man muss sich dazu ins Dickicht der Verträge und des Kleingedruckten begeben. Es geht stets um die Texte der Fußnoten, die mehrere Seiten lang sein können. Und es geht um die Kosten für die Datennutzung in den Mobilfunknetzen, um „unbegrenzt UMTS“, „unbegrenztes Surfen“, um Vodafone Mail und „Musik aufs Handy laden“. Das alles riecht und schmeckt nach mobiler Internetnutzung, nach „extra viel drin für junge Leute“, wie es auf der roten Homepage heißt. Doch wer bei einem der Superflat-Tarife zu Preisen von monatlich fünf Euro bis hin zu 80 Euro zuschlägt, hat als Smartphone-Nutzer einen Fehler gemacht. Er merkt es aber erst später, normalerweise mit der nächsten Monatsabrechnung.
Das alles ist jedoch nicht kostenlos
Man legt die Superflat-Sim-Karte in sein iPhone oder den Androiden, die nun fast immer automatisch die Internetzugangsdaten konfigurieren. Es wird also der APN - der passende Zugangspunkt - web.vodafone.de für das Vodafone-Netz, eingetragen, und man kann loslegen mit dem Web-Browser, mit der E-Mail oder dem Musikhören bei Streaming-Diensten. Das alles ist jedoch nicht kostenlos. Denn man muss in den Vodafone-Superflat-Tarifen jede Fußnote lesen. Etwa im Vodafone „Info Dok“ Nummer 4020, das aus elf Seiten besteht, die Anmerkung Nummer 28, die mit der rhetorischen Frage eingeleitet wird: „Was zahle ich für die Nutzung des Vodafone-live-Portals im deutschen Vodafone-Netz, wenn ich die Tarifoption Vodafone Happylive UMTS habe?“ Auf diese praxisnahe Frage, die bestimmt jeden Tag der Kundenbetreuung gestellt wird, kommt die zunächst erfreulich erscheinende Antwort: „Nichts! Wenn Sie die Tarifoption Vodafone Happylive UMTS gebucht haben, berechnen wir für Sie den Zugang zum Vodafone-live-Portal über den APN wap.vodafone.de aus dem deutschen Vodafone-Mobilfunknetz nicht extra.“
Wenn der geneigte Leser nun rätselt, warum Vodafone seine Happy-Hippo-Produkte in langatmigen Sprachspielen mit dem Ergebnis präsentiert, dass es „nichts“ kostet, dann hat er die juristische Finesse dieser Formulierung übersehen. Hier ist vom Zugangspunkt wap.vodafone.de die Rede. Ins Internet kommt man allerdings, siehe oben, mit web.vodafone.de. Die Wap-Variante stammt aus den Anfangszeiten des Mobilfunks, man landet, wenn überhaupt, auf einer mannigfach kastrierten Portalseite von Vodafone, die mit dem Internet so viel zu tun hat wie ein Kettcar mit einem Auto. Kurzum: Wap kann man vergessen, das Smartphone kennt es ohnehin nicht, es stellt sich automatisch auf Web ein, und dann kommt über kurz oder lang die Quittung. Denn, siehe Fußnote Nummer 28, letzter Satz, des Rätsels Lösung: „Eine Nutzung (des Internets) außerhalb des Vodafone-live-Portals kostet 0,09 Euro pro Minute.“
Nur nicht bei Vodafone
Neun Cent die Minute, was bedeutet das? Ein Smartphone kappt die Verbindung zum Internet nie. Auch dann nicht, wenn keine Daten fließen. Es könnten ja welche kommen, und da im mobilen Internet typischerweise nach Volumina abgerechnet wird, ist’s egal. Nur nicht bei Vodafone. Neun Cent die Minute sind rund 130 Euro am Tag. Nach 290 Euro brutto deckelt Vodafone vorsichtshalber die Abrechnung. Warum? Würde man den Kunden bis zum Monatsende in die Falle laufen lassen, stünden fast 4000 Euro für Datenverbindungen auf der Rechnung. Das macht sich nicht gut, denn der typische Smartphone-Kunde zahlt für sein Datenvolumen um die zehn Euro im Monat. Juristen könnten nach einem Blick ins Strafgesetzbuch von gewerbsmäßiger wucherischer Übervorteilung sprechen.
Also wird vorzeitig abgedreht, und nun kommt das gute Ende einer bösen Geschichte. Es ist ja alles nicht so schlimm, sagt der freundliche Verkäufer im Shop und bietet eine kulante Lösung an, sofern man hier und jetzt in den richtigen Vertrag wechsle, einen Vodafone „Red“. Der ist natürlich deutlich teurer, aber für so gut wie alles gibt es einen Rabatt. Einige Tage später kommt die E-Mail von Vodafone: „Weil uns Ihre Zufriedenheit sehr wichtig ist, schreiben wir Ihnen den entstandenen Betrag aus Ihrer Rechnung einmalig gut.“ Und damit man nicht noch einmal auf so wirre Gedanken kommt, sich etwa ein Handy außerhalb der Vodafone-Welt zu kaufen, wird Abschreckendes nachgelegt: Handys würden leider regelmäßig mit dem Internet kommunizieren. „Wenn Sie das Handy bei uns kaufen, sind Sie zu Ihrem eigenen Schutz immer an einen Tarif gebunden, der diese Verbindungskosten mit abdeckt. Wenn Sie sich ein Handy auf dem freien Markt besorgen, greift dieser Automatismus nicht.“
Wer diese Geschichte mit diesem Drehbuch erlebt hat, wird sich hintergangen fühlen, nach dem Motto: Man locke den Kunden mit lauten Versprechungen in einen ersten Vertrag, lasse ihn über die Fallstricke des Kleingedruckten ins Nichts fallen, wo man ihn anschließend mit der Kulanzregelung und dem Hinweis auf den bösen freien Markt rettet. Bis auf jene, die aus Scham oder Unwissenheit ohne Einspruch einfach bezahlen, versteht sich.