Die Musik der Algorithmen
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Was hören wir zum Fest? Das Weihnachtsoratorium von Bach oder neue Schöpfungen, die ein Computer komponiert hat? Die Musik-Software findet neue Wege in bekannten Gebieten.
Ein Abend mit Freunden, im Hintergrund spielt leise Musik, es wird gegessen und viel geredet, und irgendwann fragt einer den Gastgeber, welche Musik-CD gerade spielt. Einig ist sich das Publikum, dass man Bach gehört habe, aber gewiss auch Mozart, vielleicht Beethoven und „etwas Modernes“. Der Herr des Hauses spielt noch einmal längere Passagen vor. Alle hören konzentriert hin. Zunächst eine Invention im Stil von Johann Sebastian Bach: strenger Kanon, charakteristischer Kontrapunkt, vertauschte Stimmen, rhythmisch verschobene Achteltonleitern und schließlich die ausklingende Coda. Der Klavierspieler in der Runde ist ratlos. Seinen Bach kennt er wohl, aber diese Invention definitiv nicht. Auch die anschließend dargebrachte Klaviersonate, leidenschaftlich, düster mit unbändigem Temperament, stürzt die Hörer in allergrößte Unsicherheit, hört sie sich doch unverkennbar nach Beethoven an: scheinbar die Mondscheinsonate, aber nein, zwei Takte später schütteln alle Wissenden den Kopf.

Redakteur im Ressort „Technik und Motor“.
Des Rätsels Lösung: Es handelte sich um Musik, die von Algorithmen komponiert wurde, hier zeichnet der emeritierte Musikwissenschaftler David Cope verantwortlich. Er schrieb seit den achtziger Jahren Computerprogramme, die Konzerte, Chorwerke, Symphonien und Opern komponieren. Seine erste Software hieß „Experiments in Musical Intelligence“ (EMI) und war auf den Stil von Johann Sebastian Bach spezialisiert. Die Entwicklung dauerte sieben Jahre. Cope fütterte den Computer mit ungezählten klassischen Stücken, und seine Software analysierte sie auf bestimmte Gesetzmäßigkeiten, um neue Werke im gleichen Stil zu erzeugen. Es dauerte sieben Jahre, bis EMI lief. Aber dann komponierte EMI an einem Tag bis zu 5000 Choräle à la Johann Sebastian Bach.
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