https://www.faz.net/aktuell/technik-motor/digital/android-standortverfolgung-die-heimliche-spionage-15347269.html

Standortverfolgung von Android : Ich weiß etwas, was du nicht siehst

Falls man mal nicht mehr weiß, wann man wo an welchem Tag war: Google weiß es. Bild: Dettweiler

Beim Arzt oder Apotheker? In der Rechtsanwaltskanzlei? Oder bei der Freundin? Die Standortverfolgung von Android: So genau weiß Google, wo wir sind und waren.

          4 Min.

          Morgens joggen wir mit der Garmin-Sportuhr am Skyline Plaza in Frankfurt vorbei, mittags tragen wir die Uhr, als wir in diesem Einkaufszentrum essen. Was man anschließend als Läufer oder Spaziergänger in der Auswertung sieht, ist nicht viel. Obwohl die über Europa kreisenden Satellitensysteme mittlerweile eine sehr hohe Genauigkeit bieten, bleibt der mit GPS aufgezeichnete Kurs ein Fragment. Wie der Jogger am Gebäude vorbeigezogen ist, das lässt sich gut erahnen. Was er mittags im Innern gemacht hat, ist jedoch unklar. Einige schnurgerade Linien in der GPS-Aufzeichnung deuten es bereits an: Die Sportuhr kann die zurückgelegten Strecken zwischen tatsächlich erfassten Standorten nur interpolieren. Sie weiß es nicht genau.

          Michael Spehr
          Redakteur im Ressort „Technik und Motor“.

          Ganz anders das Bild, wenn man mit einem Google-Handy und dem Android-Betriebssystem durch das gleiche Gebäude läuft. Es ist gespenstisch. Wir hatten einen Salat gekauft, waren durch die Food Mall geschlendert und hatten uns zum Essen auf der Höhe eines Donut-Ladens niedergelassen. Dieser wiederum ist nun in unserer Google-Liste der besuchten Orte verzeichnet. Punktgenau der Donut-Laden, nicht der Bulettenbrater neben ihm. Woher weiß Google das? GPS allein reicht im überdachten Einkaufszentrum nicht aus.

          Mitte November hatten Journalisten festgestellt, dass Google auch dann Standortdaten von Android-Smartphones erfasst, wenn der Nutzer die Standortdienste ausgeschaltet hat, also klar und deutlich widerspricht. Die Androiden senden an Google, sobald sie mit dem Internet verbunden sind; auch ohne App-Nutzung oder eingelegte Sim-Karte. Die heimliche Spionage betrifft alle Modelle, nicht nur bestimmte Gerätetypen oder Nutzer einer App. Google hat den Sachverhalt eingeräumt – und will das Ausspähen angeblich wieder abstellen.

          Über die Ortung mit Mobilfunk-Sendestationen, Bluetooth und Wireless-Lan ist ein Google-Handy in der Stadt kaum noch auf die Satelliten angewiesen, wenn es um die Ortsbestimmung geht. Mehrere Mobilfunkstationen in der Umgebung erlauben die Ermittlung des Standorts auf einige hundert Meter. Die Feinjustage erledigen Bluetooth und W-Lan. Wohlwissend ist es mit Googles Android nicht möglich, den Abruf von W-Lan-Verbindungen in der Nähe sowie das Auslesen der W-Lan-Namen abzuschalten. Das war schon immer so. Über die verschiedenen Funksignale im Einkaufszentrum und mit dem Wissen, welches Netz wo sendet, gelingt Google eine metergenaue Erfassung der einzelnen Person. Mit Android hat Google ein einzigartiges Projekt gestartet: Jeder ist rund um die Uhr ortbar. Noch nie in der Geschichte der Menschheit hat es dergleichen gegeben.

          Objekt der Begierde für alle Datenkraken

          Der Standort und der Standortverlauf sind die wichtigsten und teuersten Digitaldaten. Sie sind das Objekt der Begierde für alle Datenkraken. Bewegungsdaten verraten am meisten über die Person und ihre Gewohnheiten, und sie haben gegenüber allen anderen ausspähbaren Informationen den immensen Vorteil, dass sie valide sind. Termine und Handy-Nummern sagen nicht viel aus. Aber das Bewegungsprofil eines Menschen mit Haus im noblen Kiez, täglichem Mittagessen in Westend-Restaurants, vielen Flügen zu angesagten Lokationen im Ausland und regelmäßige Stippvisiten auf Sylt lassen sich nur mit beträchtlichem Aufwand fälschen.

          Wer einen winzigen Einblick erhalten will, was Google mit diesen Daten macht, der kann sich zumindest die Rohdaten ansehen. Nicht etwa, dass man sähe, welche Auswertungen Google vornimmt und welche Schlussfolgerungen der Konzern zieht. Aber schon die aggregierten Rohdaten sind verblüffend, bisweilen sogar erschreckend. Man wähle etwa im Web-Browser, eingebucht in Google, die Google-Maps und im Menü „Meine Zeitachse“.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Unter Nachbarn: Die Hauptsitze der Schweizer Großbanken Credit Suisse (Mitte) und UBS (links) am Zürcher Paradeplatz

          Schweizer Großbank : Der tiefe Fall der Credit Suisse

          Die Credit Suisse ermöglichte einst den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz. Doch in den letzten Jahren verlor sie das Vertrauen der Kunden. Dass sie nun von der Erzrivalin UBS übernommen wird, ist nicht ohne Ironie.
          Manuela Schwesig beantwortet bei einer Pressekonferenz die Fragen von Journalisten.

          Mecklenburg-Vorpommern : Im Dickicht der Klimastiftung

          Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern war mit Russland aufs Engste verbunden – und baute die Nord-Stream-2-Pipeline mithilfe einer dubiosen Stiftung fertig. Die bekommt das Land nun nicht mehr los.
          Zählen wir mal nach. Gehöre ich schon zur ökonomischen Elite?

          Klassenunterschiede : Eine Frage des Vermögens

          Das Vermögen vieler Reicher entstammt selten eigenen beruflichen Tätigkeiten – sie haben es vielmehr geerbt. Was bedeutet das für unser gesellschaftliches Zusammenleben? Ein neues Klassenmodell sucht Antworten.
          Bekanntes Gesicht: Das Design des ID 2 erinnert bewusst an Verbrennermodelle

          Billige Elektroautos : Dem Volk aufs Maul geschaut

          Der neue Chef der Marke Volkswagen, Thomas Schäfer, dreht an der Preisschraube, und zwar in Richtung Auto für alle. Der Kompaktwagen ID 2 soll Ende 2025 für weniger als 25.000 Euro in den Handel kommen.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.