Standortverfolgung von Android : Ich weiß etwas, was du nicht siehst
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Falls man mal nicht mehr weiß, wann man wo an welchem Tag war: Google weiß es. Bild: Dettweiler
Beim Arzt oder Apotheker? In der Rechtsanwaltskanzlei? Oder bei der Freundin? Die Standortverfolgung von Android: So genau weiß Google, wo wir sind und waren.
Morgens joggen wir mit der Garmin-Sportuhr am Skyline Plaza in Frankfurt vorbei, mittags tragen wir die Uhr, als wir in diesem Einkaufszentrum essen. Was man anschließend als Läufer oder Spaziergänger in der Auswertung sieht, ist nicht viel. Obwohl die über Europa kreisenden Satellitensysteme mittlerweile eine sehr hohe Genauigkeit bieten, bleibt der mit GPS aufgezeichnete Kurs ein Fragment. Wie der Jogger am Gebäude vorbeigezogen ist, das lässt sich gut erahnen. Was er mittags im Innern gemacht hat, ist jedoch unklar. Einige schnurgerade Linien in der GPS-Aufzeichnung deuten es bereits an: Die Sportuhr kann die zurückgelegten Strecken zwischen tatsächlich erfassten Standorten nur interpolieren. Sie weiß es nicht genau.
Ganz anders das Bild, wenn man mit einem Google-Handy und dem Android-Betriebssystem durch das gleiche Gebäude läuft. Es ist gespenstisch. Wir hatten einen Salat gekauft, waren durch die Food Mall geschlendert und hatten uns zum Essen auf der Höhe eines Donut-Ladens niedergelassen. Dieser wiederum ist nun in unserer Google-Liste der besuchten Orte verzeichnet. Punktgenau der Donut-Laden, nicht der Bulettenbrater neben ihm. Woher weiß Google das? GPS allein reicht im überdachten Einkaufszentrum nicht aus.
Mitte November hatten Journalisten festgestellt, dass Google auch dann Standortdaten von Android-Smartphones erfasst, wenn der Nutzer die Standortdienste ausgeschaltet hat, also klar und deutlich widerspricht. Die Androiden senden an Google, sobald sie mit dem Internet verbunden sind; auch ohne App-Nutzung oder eingelegte Sim-Karte. Die heimliche Spionage betrifft alle Modelle, nicht nur bestimmte Gerätetypen oder Nutzer einer App. Google hat den Sachverhalt eingeräumt – und will das Ausspähen angeblich wieder abstellen.
Über die Ortung mit Mobilfunk-Sendestationen, Bluetooth und Wireless-Lan ist ein Google-Handy in der Stadt kaum noch auf die Satelliten angewiesen, wenn es um die Ortsbestimmung geht. Mehrere Mobilfunkstationen in der Umgebung erlauben die Ermittlung des Standorts auf einige hundert Meter. Die Feinjustage erledigen Bluetooth und W-Lan. Wohlwissend ist es mit Googles Android nicht möglich, den Abruf von W-Lan-Verbindungen in der Nähe sowie das Auslesen der W-Lan-Namen abzuschalten. Das war schon immer so. Über die verschiedenen Funksignale im Einkaufszentrum und mit dem Wissen, welches Netz wo sendet, gelingt Google eine metergenaue Erfassung der einzelnen Person. Mit Android hat Google ein einzigartiges Projekt gestartet: Jeder ist rund um die Uhr ortbar. Noch nie in der Geschichte der Menschheit hat es dergleichen gegeben.
Objekt der Begierde für alle Datenkraken
Der Standort und der Standortverlauf sind die wichtigsten und teuersten Digitaldaten. Sie sind das Objekt der Begierde für alle Datenkraken. Bewegungsdaten verraten am meisten über die Person und ihre Gewohnheiten, und sie haben gegenüber allen anderen ausspähbaren Informationen den immensen Vorteil, dass sie valide sind. Termine und Handy-Nummern sagen nicht viel aus. Aber das Bewegungsprofil eines Menschen mit Haus im noblen Kiez, täglichem Mittagessen in Westend-Restaurants, vielen Flügen zu angesagten Lokationen im Ausland und regelmäßige Stippvisiten auf Sylt lassen sich nur mit beträchtlichem Aufwand fälschen.
Wer einen winzigen Einblick erhalten will, was Google mit diesen Daten macht, der kann sich zumindest die Rohdaten ansehen. Nicht etwa, dass man sähe, welche Auswertungen Google vornimmt und welche Schlussfolgerungen der Konzern zieht. Aber schon die aggregierten Rohdaten sind verblüffend, bisweilen sogar erschreckend. Man wähle etwa im Web-Browser, eingebucht in Google, die Google-Maps und im Menü „Meine Zeitachse“.