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Kindle Scribe von Amazon : Mehr als nur lesen

Handarbeit: Mit dem Stift des Kindle Scribe ruft man ein Menüfeld für handschriftliche Notizen auf. Die Details haben aber noch Tücken. Bild: Hersteller

Intensiv mit Literatur arbeiten, Texte annotieren und virtuelle Eselsohren anlegen: Wie gut ist der neue E-Book-Reader Kindle Scribe mit Stiftbedienung?

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          Richtig mit Büchern arbeiten, tief in die Materie eintauchen und dafür sorgen, dass möglichst viel „hängen bleibt“: Wer auf diese Weise liest, hat meist einen Stift in der Hand, unterstreicht wichtige Passagen oder kritzelt eigene Bemerkungen an den Rand. Mit elektronischen Büchern ist dieses intensive Hineintauchen schwieriger. Das E-Book kennt keine Eselsohren. Bestenfalls kann man mit dem Finger oder einem Stift unterstreichen, aber schon das Erstellen von Anmerkungen wird knifflig.

          Michael Spehr
          Redakteur im Ressort „Technik und Motor“.

          Jetzt will Amazon das Thema noch einmal ganz neu angehen und erweitert seine Palette der Lesegeräte mit E-Ink-Technik um ein Produkt mit Stift. Man erhält auf diese Weise das Beste aus zwei Welten, so scheint es. Zum einen gibt es ein Lesegerät mit deutlich längerer Akkulaufzeit als ein Tablet, und zum anderen ist es mit dem riesigen Bücherangebot von Amazon versehen. Klar, man ist damit natürlich im Amazon-Ökosystem gefangen, das ist ein Minuspunkt. Der neue Kindle Scribe fängt an mit einem einfachen Stift und 16 Gigabyte Speicher um 370 Euro, das Topmodell mit besserem Stift und 64 Gigabyte kostet 450 Euro.

          Diagonale von 10,2 Zoll, Auflösung von 1440 × 1920 Pixel
          Diagonale von 10,2 Zoll, Auflösung von 1440 × 1920 Pixel : Bild: Hersteller

          Der Kindle Scribe gehört zu den größeren E-Book-Lesegeräten und hat ein Display mit einer Diagonale von 10,2 Zoll. Es löst mit 1440 × 1920 Pixel auf, hat 16 Graustufen, eine Hintergrundbeleuchtung mit Anpassung an die Umgebungshelligkeit und eine einstellbare Farbtemperatur. Jede E-Anzeige ist träge, auch diese, aber es handelt sich um eines der besseren E-Ink-Displays, und es ist wie seine Gevattern auch draußen bei hellem Sonnenschein bestens ablesbar. Der Kindle Scribe misst 20 × 23 Zentimeter und wiegt so viel wie ein ähnlich großes Tablet, rund 430 Gramm. Er ist nicht wassergeschützt.

          Wer sich für ein elektronisches Buch entscheidet, nimmt meist ein Gerät mit etwas kleinerer Diagonale und weniger Gewicht. Damit ist längeres Lesen und längeres Halten in der Hand nicht so strapaziös wie bei größeren und schweren Modellen, die aber wiederum mehr Inhalte auf einen Blick zeigen. Man muss also abwägen.

          Mobilfunk ist nicht eingebaut

          Als E-Book-Leser gefällt der Kindle Scribe gut. Wie zu erwarten fügt er sich nahtlos in das Amazon-Ökosystem ein und kann nahezu alles, was seine Kollegen können. Mit einer Ausnahme allerdings: Mobilfunk ist nicht eingebaut, man benötigt für spontane Buchkäufe also ein Smartphone in der Nähe als Hotspot.

          Doch nun zum Stift. Er hat keinen Akku, dockt wie der Apple Pencil 2 ma­gnetisch an der Seite des Kindle an und kommt in der Premium-Variante mit einer Funktionstaste und einem Radierer an der Oberseite. Mit dem Stift lassen sich Textpassagen in Büchern unterstreichen, wozu bei den anderen Kindles der Finger zum Einsatz kommt. Ferner lassen sich zwei Arten von Notizen erstellen: Textnotizen tippt man über die virtuelle Tastatur. Das funktioniert übrigens auch mit anderen Kindles. Obwohl das Gerät Bluetooth eingebaut hat, lässt sich ärgerlicherweise eine Bluetooth-Tastatur nicht ankoppeln. Handschriftliche Notizen entstehen mit dem Stift, das Feld bietet den Platz von ungefähr 40 Prozent der Bildschirmfläche und reicht für sechs bis acht Zeilen aus, je nachdem, wie groß man schreibt.

          Der Kindle Scribe misst 20 × 23 Zentimeter und wiegt so viel wie ein ähnlich großes Tablet, rund 430 Gramm.
          Der Kindle Scribe misst 20 × 23 Zentimeter und wiegt so viel wie ein ähnlich großes Tablet, rund 430 Gramm. : Bild: Hersteller

          Die Textnotizen werden mit dem Buch synchronisiert. Das bedeutet: Man sieht die Anmerkungen zum Beispiel auch im Webbrowser von Amazon, auf lesen.amazon.de. Die Anmerkung visualisiert ein kleines Kästchen an der entsprechenden Stelle. Klickt man darauf, erscheint ein Fenster mit dem eingegebenen Text. Die handschriftlichen Notizen werden kurioserweise nicht synchronisiert. Man kann aber ein PDF erstellen lassen, das einem per E-Mail geschickt wird und Markierungen sowie Notizen zeigt.

          Handschrifterkennung fehlt

          Die fehlende Synchronisierung handschriftlicher Notizen ist eine arge Einschränkung, die gewiss nicht jedem gefallen wird. Indes hat der Stift noch einen Nebenjob. Im Menü Notizbücher lassen sich ebensolche virtuell anlegen und in eigenen Ordnern sortieren. Es gibt Vorlagen mit unterschiedlicher Liniierung, und das Schreibgefühl ist hervorragend. Liegt der Handballen auf dem Display auf, gibt es keine Artefakte. Nur eine dunkle Wolke trübt den eitlen Sonnenschein: Es fehlt eine Handschrifterkennung mitsamt Umwandlung des geschriebenen Textes. Dergleichen ist sowohl bei den gängigen Schreib-Apps fürs iPad mittlerweile Standard wie auch bei Notiz-Tablets, etwa dem Remarkable. Ferner irritiert, dass sich zwar einzelne Notizblätter per E-Mail versenden lassen, sie aber nicht unter den eigenen Amazon-Inhalten auftauchen.

          Über die Amazon-Seite „Send to Kindle“ lassen sich einzelne Dokumente als PDF- oder Word-Datei an den Kindle Scribe zwecks Bearbeitung schicken. Word-Dateien werden gut angezeigt, PDF-Dokumente sehen aber so mickrig aus, dass weder das Lesen noch das Annotieren Spaß machen. Davon einmal abgesehen ist die Frage aufgeworfen, wie das bearbeitete Dokument zurück auf den PC kommt. Das funktioniert abermals nur per E-Mail. Warum kompliziert, wenn es mit einer Cloud-Anbindung einfacher ginge? Wer reihenweise viele Dokumente nacheinander bearbeiten will, ist mit einem Tablet, Stift und Cloud deutlich besser bedient.

          Der Kindle Scribe hat zudem einen Webbrowser eingebaut, der jedoch unter der bescheidenen Arbeitsgeschwindigkeit der Hardware ebenso leidet wie unter der Trägheit der Anzeige. Zum Orientieren, was sich gerade wo tut, eignet er sich, aber viel mehr funktioniert nicht. Insgesamt ist der neue Kindle Scribe ein hervorragender E-Book-Reader mit langer Akkulaufzeit und gestochen scharfer Darstellung. Der Stift ist ein interessantes Extra, aber die zugehörige Software hat noch Potential nach oben. Eine Cloud-Anbindung und Handschrifterkennung sollten unbedingt nachgereicht werden.

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