
Zukunft des Autos : Dem Fortschritt eine Chance
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Die Ladeinfrastruktur hält nicht Schritt. Bild: dpa
Tempolimit, Dieselsubvention, Elektromobilität – das Auto eignet sich offenbar für jede Form von Attacke. Ganz gleich, ob sie Substanz hat und Fortschritt bringt, oder nicht. Wir müssen aufhören, in Fragmenten zu denken.
Ist demjenigen Glauben zu schenken, der am lautesten schreit? Oder demjenigen, der am tiefsten blickt? Die Frage stellt sich in Bezug auf ein starres Tempolimit auf Autobahnen, wo die koalitionsverhandelnde Politik weiter ist als jene Forderer, die Chancen und Überlegenheit einer intelligenten Verkehrssteuerung konsequent aus ihrer Argumentation ausblenden. Sie stellt sich in der auch und gerade vom Umweltbundesamt befeuerten Begriffsbildung Dieselsubvention, die angesichts von rund 65 Prozent Steuer- und Abgabenanteil je Liter eine recht steile These ist. Sie wird aufgeworfen in der Debatte um ein angeblich bestehendes Dienstwagenprivileg, als ob nicht in beträchtlichem Umfang ein geldwerter Vorteil zu versteuern wäre. Das Auto eignet sich offenbar für mannigfaltige Arten von Anwürfen, ganz gleich ob sie Substanz haben und einen Fortschritt begründeten oder nicht.
Besonders hitzig gestritten wird über den Antrieb der Zukunft. Die politische Richtungsentscheidung scheint zugunsten des batterieelektrischen Motors gefallen, aus der Industrie gibt es vehemente Befürworter wie den Vorstandsvorsitzenden von VW, Herbert Diess. Doch langsam dünkt wohl allen, dass die Menschheit noch lange nicht überzeugt ist. Die ersten zehn, fünfzehn Prozent sind leicht zu gewinnen, der große Rest wird deutlich schwieriger. Nicht umsonst werden, hier stimmt der Terminus nun wirklich, Subventionen großzügig gewährt. Wer hält gegen eine Wette, dass der Absatz zusammenbräche, würden die Kaufprämien jetzt eingestellt?
Der Weg sei noch lang
Die Hürden elektrischer Fortbewegung sind für viele Menschen höher als die gewonnenen Annehmlichkeiten. Das wird noch eine Weile so bleiben. Auch die Erkenntnis, dass eine 500 Kilogramm schwere Batterie mit ihrem Ressourcenverbrauch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, mag zum Nachdenken anregen
So wie das, was Oliver Zipse sagt. Der Mann ist Vorstandsvorsitzender von BMW und damit von Haus aus daran interessiert, dass Kunden ihm und seinen Ingenieuren vertrauen. In den vergangenen Tagen verlautete von ihm zu verschiedenen Anlässen Bemerkenswertes. Die Elektromobilität sei voll im Alltag angekommen, das spüre BMW bei den Bestellungen für Elektroautos, die deutlich zulegten.
Aber die Ladeinfrastruktur halte nicht Schritt. Das Wachstum an Elektroautos übersteige das der Ladekapazitäten in Deutschland um den Faktor 5. In vielen EU-Staaten existiere überhaupt kein brauchbares Ladenetz. Der Weg sei noch lang, für den Klimaschutz zähle jedoch jedes schon heute vermiedene Gramm CO2. „Warum sollten wir uns vorzeitig auf nur eine technische Lösung festlegen, wenn dadurch erhebliche Potentiale im Hier und Jetzt ungenutzt bleiben?“, fragt Zipse rhetorisch.
BMW werde konventionelle Benziner und Diesel weiterentwickeln, unter anderem mit 48-Volt-Technik, mit der rasch bis zu 20 Prozent CO2 eingespart werden könnten. Für den Bestand gebe es zudem keine Alternative als den Einsatz von E-Fuels, ohne synthetische Kraftstoffe für die 200 Millionen Fahrzeuge auf den Straßen der EU seien die Klimaschutzziele unerreichbar, ganz gleich, wie viele Elektroautos auf den Markt kämen. Für die wiederum sei entscheidend, welchen gesamthaften Abdruck sie über den Lebenszyklus hinterließen.
Kleiner Einschub aus anderer Quelle, einem Text im Magazin Spiegel: Ein Tesla S benötigt in etwa so viel Lithium wie 10.000 Handys. In einem Elektroauto und seiner Antriebsbatterie stecken sechsmal so viele kritische Rohstoffe wie in einem Modell mit Verbrennungsmotor, vor allem Kupfer, Graphit, Kobalt und Nickel. „Wir dürfen nicht länger in Fragmenten denken“, fordert der BMW-Chef. So ist es.