https://www.faz.net/aktuell/technik-motor/citroen-cx-im-tiefflug-durch-die-nacht-12966263.html

Dreiachser : Im Tiefflug durch die Nacht

In diesem Citroën CX fuhr der Musiker Mike Frank früher die F.A.Z. nach Paris Bild: Stefan Bau

Bis heute wird die frisch gedruckte F.A.Z. auf Achse vom Druckort Mörfelden bei Frankfurt nach Paris gebracht. Unvergessen sind jedoch die Zeiten, als dreiachsige Citroën CX mit dieser Aufgabe betraut waren. Sie galten Anfang der achtziger Jahre als die schnellsten Diesel der Welt.

          3 Min.

          Beim Ausliefern von Tageszeitungen kommt es auf zwei Dinge an: Schnelligkeit und Transportkapazität. Lange bevor der Sprinter von Mercedes-Benz zum Synonym für eine Klasse der flinken Transporter wurde (bis 3,5 Tonnen kein Tempolimit von 80km/h), gab es einen König der Autobahn-Transporter: den Citroën CX, umgebaut zum Dreiachser.

          Boris Schmidt
          Redakteur im Ressort „Technik und Motor“.

          Damit ergab sich eine Ladekapazität von bis zu zwei Tonnen, es passten zwei Paletten Zeitungen in den auf 5,60 Meter (oder gar 6,55 Meter, je nach Version) verlängerten Wagen. Solche Dreiachser wurden in Frankreich von Tissier, in Belgien von Pijpops und in Deutschland von „Mikes Garage“ in Heidelberg gebaut. Damit war die verderbliche Ware Tageszeitung so schnell wie nur irgend möglich beim Bestimmungsort. Nicht nur die Frankfurter Allgemeine Zeitung, auch viele andere europäische Verlage hatten solche Dreiachser in ihren Diensten.

          Gute Fahreigenschaften, guter Werbeträger

          Ungefähr 1000 Dreiachser sind von Tissier gebaut worden (auch als Leichen- oder Krankenwagen), rund 250 kamen jeweils aus den Werkstätten in Belgien und Heidelberg. Wegen seiner Hilfsrahmenkonstruktion eignete sich der Citroën CX sehr gut für Verlängerungen mit zusätzlicher Achse. Und die berühmte Citroën-Hydraulik sorgte überdies für relativ gute Fahreigenschaften auch bei extremer Zuladung. Die Hydraulik hatte schon das Vorgängermodell des CX, der (oder die) berühmte DS, auch Göttin genannt. Übrigens wurden auch schon „Göttinnen“ in ähnlicher Weise wie der CX verlängert. Das Bild unten zeigt eine, die Mitte der siebziger Jahre für diese Zeitung unterwegs war. Gefahren wurde aber immer stets im Auftrag der F.A.Z., die Fahrzeuge waren nie Eigentum der Zeitung. Doch sie waren ein guter Werbeträger, es gab sogar einen von diesem Haus zu Werbezwecken genutzten CX-Modellbau-Bogen (Maßstab 1:20), den man heute noch bestellen kann (siehe www.drexlers-modellbau.de).

          Bis zum Ende der siebziger Jahre wurde die Zeitung auch in langen DS von Frankfurt nach Paris gebracht.
          Bis zum Ende der siebziger Jahre wurde die Zeitung auch in langen DS von Frankfurt nach Paris gebracht. : Bild: Foto

          Lange CX fuhren die F.A.Z. seit Ende der siebziger Jahre von Frankfurt nach Paris, diese Ära wähnte bis Anfang der neunziger Jahre, dann kam Konkurrenz, die bei gleicher Ladekapazität ähnlich schnell war. Und der CX selbst wurde 1991 nach 17 Jahren Bauzeit eingestellt. Knapp 1,2 Millionen Einheiten waren gebaut worden (Schrägheck-Limousine und Kombi, Break genannt). Der CX gilt als letzter, klassisch-avantgardistischer Citroën. Den berühmten Lupentacho gab es aber nur bis 1985.

          In Deutschland sind noch ungefähr 50 Exemplare der verlängerten Versionen bekannt. Eine davon besitzt der Musiker Mike Frank, der seinen CX 1990 gekauft hat. Er brachte uns auch auf die Spur zu dieser Geschichte, denn Frank ist selbst für die F.A.Z. mit ebenjenem Citroën unterwegs gewesen und hat sie nachts nach Paris gefahren. Er war damals schon Musiker. „Wir hatten nur einen klapprigen VW Bus, und die Citroën sind oft auf der Autobahn an uns vorbeigehuscht, wenn wir auf dem Weg zu einem Auftritt waren. Mich hat das damals mehr fasziniert als ein Ferrari.“ Als sich die Gelegenheit ergibt, kauft Frank für 45.000 DM den damals zwei Jahre alten Citroën. Für die F.A.Z ist er dann gut anderthalb Jahre unterwegs. „Wilde Zeiten waren das damals. Wir sind im Tiefflug durch die Nacht.“

          Der CX läuft, weil er so extrem windschlüpfig ist, trotz „nur“ 120 PS (aus 2,5 Liter Hubraum, vier Zylinder) fast 190 km/h. Der Verbrauch hält sich mit 12 Liter Diesel auf 1oo Kilometer in Grenzen. Die F.A.Z wird damals noch ausschließlich direkt neben dem Redaktions-Gebäude in Frankfurt gedruckt, die ersten Touren nach Paris starten am Spätnachmittag mit der ersten Ausgabe. Als Frank die Nachtfahrten zu viel werden, behält er den Wagen einfach und nutzt ihn jahrelang als „Tourbus“. Die Rückbank ist nie ausgebaut gewesen, für die Zeitungstransporte wurde sie umgeklappt. Eine entsprechende poppige Lackierung ist natürlich Pflicht nach dem zurückhaltenden dunklen Rot, in der ursprünglich der Lack gehalten war.

          Wer noch einen Dreiachser besitzt, pflegt ihn besonders

          Heute macht Mittfünfziger Frank, der in Hockenheim wohnt, mit seiner Band „Me and the heat“ immer noch Musik, den Citroën fährt er jedoch nur noch zum Spaß in seiner Freizeit, der Verbrauch pendelt beim gemütlichen Fahren um die neun Liter auf 100 Kilometer. Der Wagen erregt immer noch großes Aufsehen, er werde sehr oft kontrolliert, die meisten glauben, der Citroën sei ein ehemaliger Leichenwagen. Inzwischen hat der CX 1,44 Millionen Kilometer auf dem Tacho, es ist die zweite Maschine verbaut, die erste hielt fast eine Million Kilometer. Das Getriebe ist immer noch das erste. Da sage noch einer, französische Autos seien keine Qualitätsprodukte.

          Doch insbesondere die Dreiachser sind als Lastenträger in aller Regel verschlissen worden. Wer noch einen hat, pflegt ihn. Zurzeit sind in Deutschland zwei im Angebot: der links abgebildete „Loadrunner 2“, der im Gegensatz zu Franks Citroën (Loadrunner 1) ein höheres Dach hat und 10.000 Euro kosten soll (post@jot-es.de), sowie ein ehemaliger Leichenwagen, den die CX-Basis, ein auf den CX spezialisiertes Unternehmen, anbietet (www.cx-basis.de).

          Mike Frank wird seinen Wagen nie hergeben. Seitdem er für die F.A.Z. unterwegs war, hat sich viel geändert. Gedruckt wird diese Zeitung seit 1993 in Mörfelden-Walldorf bei Frankfurt, dazu gibt es jetzt weitere Druckstandorte in Maisach bei München und in Potsdam. So werden die Wege zum Kunden automatisch kürzer. Im Ausland wird zudem in Madrid gedruckt, und verkleinerte Ausgaben entstehen unter anderem in Athen, Rom, Teneriffa und auf Zypern.

          Heute fahren Sprinter die F.A.Z. nach Paris

          Heute fahren zwei Mercedes-Benz-Sprinter die F.A.Z. von Mörfelden nach Paris. Insgesamt starten von der Druckerei aus täglich 200 Fahrzeuge, aus Potsdam 70 und aus Maisach 50.

          Und dank des E-Papers kann jeder bei sich zu Hause am Vorabend des nächsten Tages um 20 Uhr seine F.A.Z. 1:1 aus dem Netz herunterladen (www.faz.net/e-paper). Und natürlich auch ausdrucken, wenn gewünscht.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Das Hauptquartier der Credit Suisse in Zürich

          Credit-Suisse-Übernahme : Whatever it takes

          Die Schweiz zimmert mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS einen Koloss. Der könnte das Land im Falle einer Rettung zu teuer kommen.
          Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Brüssel

          EU hilft der Ukraine : Eine Million Granaten in zwölf Monaten

          Die EU will zwei Milliarden Euro für Munition für die ukrainische Armee aufwenden. Damit die Beschaffung schneller geht, wollen die Staaten gemeinsame Bestellungen abgeben. Deutschland fährt dabei zweigleisig.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.