Zeiss ZM-System : Die dezente und präzise Chronistin
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Feinmechanik: die Zeiss Ikon ZM Bild: Peter Thomas
Kein Frage: Zeiss baut Spitzenoptiken. Aber die Ingenieure können mehr. Das zeigt die Familie des ZM-Systems mit Messsucher-Kameras und Wechselobjektiven. Mit ihr lassen sich exotische Schnitzereien ebenso einfangen wie Wassergeflügel auf der Elbe.
Satt und seidig dreht sich der Fokussierring des 450 Gramm schweren Porträtobjektivs, selbst im Dämmerlicht des Jazzkellers fällt das manuelle Scharfstellen über den Mischbildentfernungsmesser leicht. Julie Fowlis, die elfengleiche schottische Bardin, singt „An t-Aparan Goirid 's an t-Aparan Ùr: Òran do Sheasaidh Bhaile Raghnaill“. Und während die gälischen Silben der Ballade vom mittelalterlichen Kreuzgewölbe abperlen, löst die Messsucherkamera Zeiss Ikon ZM aus: nicht unhörbar, aber doch angenehm leise. Zusammen mit dem Sonnar T* 2/85 ZM bewährt sich die analoge Sucherkamera an diesem Abend denn auch als Präzisionswerkzeug für die unaufdringliche Fotografie dicht an der Bühnenkante: kompakt, ohne Autofokus und Blitz.
Vor drei Jahren hat Zeiss sich auf die Geschichte seiner Messsucher-Kameras besonnen und ein eigenes System aufgelegt, das mittlerweile zwei Gehäuse und zwölf Festbrennweiten umfasst. Nach 45 Jahren Pause setzten die Kamerabauer aus Oberkochen allerdings nicht auf das alte Contax-Bajonett, sondern übernahmen das von Leica entwickelte M-Bajonett. Damit reihte sich Zeiss in eine stetig wachsende Familie ein, zu der neben Leica selbst vor allem Voigtländer Objektive und Linsen beisteuert. Uns hat die Zeiss Ikon ZM mit vier Objektiven mehrere Wochen lang begleitet. Dem schweren Sonnar T* 2/85 ZM waren dabei vor allem Konzerte und Porträts vorbehalten, die handlichen Linsen Biogon T* 2,8/21 ZM, Biogon T* 2/35 ZM und C Sonnar 1,5/50 ZM wechselten sich bei Reportagen ab.
Die stille, leisen Bildreportage über ein Künstlerhaus
Am wohlsten hat sich das ZM-System in seiner Billingham-Tasche dabei jenseits aller Hektik gefühlt: bei der stillen, leisen Bildreportage über ein Künstlerhaus im hohen Norden. Das geschichtsgesättigte Gebäude war einst Ferienhaus von Günter Grass und beherbergt schon seit 22 Jahren Stipendiaten der Akademie der Künste Berlin. Zwischen rauchschwarzen Balken und steilen Treppenhäusern, altem Holz und Klinker spielte die Zeiss Ikon ihren Charme als zurückhaltende Chronistin aus, gefüttert mit lichtempfindlichem chromogenen Schwarzweißfilm.
Diese Emulsion vom Typ Kodak BW400CN setzen wir auch für Landschaftsaufnahmen zwischen Elbe und Deich ein. Fraglich war dabei im Vorfeld, ob die klassische Kontrastbeeinflussung durch Farbfilter bei dem im C41-Prozess entwickelten Film genauso gut funktionieren würde wie beim Silberhalogenid-Schwarzweißfilm. Einschlägige Internetforen gehen von einer (für uns physikalisch nicht nachvollziehbaren) Inkompatibilität zwischen den neuen Filmen auf der Basis von Farbemulsionen und der alten Tonwertvariation aus. Dennoch schraubten wir unseren dunkelsten Rotfilter vor das 21-Millimeter-Objektiv, um dem Himmel satte Tiefen mit leuchtenden Wolken zu verschaffen. Das Ergebnis könnte aus einem Lehrbuch von Ansel Adams stammen: Schwarz wölbt sich das Firmament über den glitzernden Wassern, brillant strahlen die Wölkchen, und die Sonne sticht mit scharfem Strahlenkranz ins Bild. Zurück im Haus atmete das Reportage-Normalobjektiv (C steht bei diesem klein bauenden C Biogon 1,5/50 für Compact) dann wieder die mehr als 300 Jahre alte Geschichte des Hauses.
Auf die eckige Form der alten Contax besonnen