Akustik im Auto : Plattenmörder und Schalldruckmonster
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Krawallschachtel für Livekonzerte: Studie Smart Forgigs auf der Basis des Fortwo mit HiFi Ausstattung von JBL Bild: Hersteller
Dezible Abenteuer zwischen HiFi und Drag Racing: Statt Leistung und Lautstärke gibt es fachkundige Feinarbeit und akribische Abstimmung. Wie das Auto zum Konzertsaal wurde.
Und es geht doch. Jahrzehntelang hatten die gestrengen Hüter der akustischen Wahrheit immer wieder behauptet, im Auto finde HiFi nicht statt. Das Credo einer ganzen Branche: Rumorende Triebwerke und rollende Reifen verdecken tiefe Frequenzen, Schallreflexionen an den Glasflächen verfremden Klangfarben, und dicke Sitzpolster schlucken strahlende Obertöne. Mit HiFi im Auto hatten die Experten bis in die 1980er Jahre hinein nur schlechte Erfahrungen gemacht, wie etwa jener Kollege der „Neuen Zürcher Zeitung“, der von einem Autoplattenspieler berichtete, „durch dessen Schlitz der geneigte Autofahrer und Hörer während der Fahrt seine 45er-Singles einschieben und automatisch abspielen konnte. Wer sich diesem Genuss hingab, bezahlte es freilich mit einem frühen Tod seiner geliebten Scheiben: weil der Tonarm notgedrungen mit sanftem Druck in der Plattenrille gehalten werden musste, entpuppte sich der Spieler als glatter Plattenmörder.“
Doch vor 30 Jahren wurde mit dem Aufkommen der CD nicht nur das Ende der Langspielplatte eingeläutet. Auch mit der Ruhe war es aus. Das Auto wurde nunmehr als Hörraum entdeckt. HiFi-Freunde entwickelten Spaß an dicken Basstöpfen, wohligen Zwerchfellmassagen und saftiger Klangkraft. Plötzlich berichtete sogar der Wirtschaftsteil dieser Zeitung, dass „passionierte Musik-Liebhaber in zunehmendem Maße“ bereit seien, „viel Geld dafür auszugeben, dass sie in ihrem Auto Musik in einer Klangqualität hören können, die der eines großen Konzertsaales sehr nahe kommt“. Natürlich durfte der erhobene Zeigefinger nicht fehlen. So warnte die F.A.Z. 1985 vor „Vollgas und Volldampfradio in dezibeler Umarmung, Rock auf Rädern“. Denn unter dem Einfluss von „Hitparaden-Musik“ nähmen die Unfälle zu, vor allem auf „kurvenreichen Straßen“.
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Mehr erfahrenErste Boom-Cars mit dicken 200-Watt-Verstärkern eroberten Amerika. Irritiert schrieb ein Journalist, der Lärm lasse einem Hören und Sehen vergehen, im Inneren des Autos könne man „kaum atmen oder schlucken“. Knüppeldicke Soundboards mit demonstrativen Tiefton-Kratern, stapelweise Leistungsverstärker im Kofferraum und veritable Schallzeilen in zersägten Türverkleidungen ließen jedoch auch die deutschen Fachjournalisten erschaudern. „Wissen Sie eigentlich, was Sie sich antun“, fragte F.A.Z-Autor Wolfgang Tunze hier in „Technik und Motor“: „Auto-Installationen nach diesem Muster blockieren Transportraum, verhalten sich beim Auffahrunfall gern mal nach dem Vorbild der Guillotine, senken den Wiederverkaufswert der kompletten Karosse - und klingen durchaus nicht immer eindrucksvoll.“
Damit war das Problem auf den Punkt gebracht. Fortan orientierte sich eine ganze Branche neu: Nicht mehr Leistung und Lautstärke standen im Vordergrund, sondern fachkundige Feinarbeit mit akribischer Abstimmung. Handwerklich perfekte und sehr subtile Eingriffe in die Karosserie begründeten die Erfolgsgeschichte des automobilen Hörvergnügens. Statt nachträglicher Laubsägearbeiten am Interieur des Wagens oder gar Scherenschnitte an seinem Stahlblech wurden akustische Maßnahmen schon während der ersten Konstruktionsentwürfe des Fahrzeugs geplant.