Die Social-Media-Sprechstunde : Das bisschen Machismo
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Der Youtuber und Schauspieler Marc Eggers Bild: picture alliance/dpa
Der Youtuber Marc Eggers will bei Straßenumfragen von Frauen wissen, was Männer beim Kennenlernen besser machen können. Das gefällt 500.000 Deutschen. Ist es auch sexistisch?
Wenn Sie mal auf dem Ballermann waren oder beim Karneval oder auf der Reeperbahn, wenn sie von Musik und Alkohol erregte Orte mögen, könnten Sie Marc Eggers schon begegnet sein. Dort, wo Frauen tendenziell weniger Stoff tragen und ihm die Feiernden wie alte Freunde zuwinken, ist er unterwegs und macht Umfragen.
Eggers ist Model und Youtuber, er fragt Frauen, was Männer beim Sex falsch machen, welche Lieblingsstellung sie haben oder wie wichtig ihnen die Größe bei Männern ist. Das führt zu lustigen Missverständnissen. Eggers schaut dann immer in die Kamera und lacht. Über wen? Mit wem? Er verrät sich nicht.
Tiefe Blicke pflanzen Gedanken
Von Vorteil ist, dass Eggers gut aussieht und Frauen tief in die Augen schauen kann. Er tritt mit Kamera und Mikro an sie heran, was seiner Ansprache größere Bedeutung verleiht. Die Frauen reden jedenfalls bereitwillig mit ihm. Sie scheinen sogar Spaß zu haben. „Wäre ich okay von der Größe?“ „Ja, voll.“ „Bist du Model, Alina?“ Zu einer Frau, die eher klein und zierlich ist, sagt Eggers: „Ich kann dich gut hochheben.“
Manchmal läuft das Gespräch darauf hinaus, dass er ihnen scherzhaft vorschlägt, sich abends wieder zu treffen, um noch mehr Spaß zu haben. Und die Frauen lachen, weil sie ihn süß finden oder betrunken sind oder überrumpelt oder peinlich berührt vor der Kamera. Manche geben auch freche Antworten. Die Gedanken, die er in ihren Kopf pflanzt, scheinen den meisten zu gefallen. Und den Männern vor dem Computer gefallen sie auch.
Die Erkenntnis hält sich in Grenzen
An der Verehrung seiner 500.000 Abonnenten auf Youtube ist das zu erkennen. „Wir sind seit knappen drei Minuten drinnen, und Marc ist mit zwei Frauen zum Geschlechtsverkehr verabredet.“ Wenn Marc Eggers bei seinen Umfragen mit Männern ins Gespräch kommt, reden sie oft davon, über welche Szene aus seinen Videos sie sich „kaputtgelacht“ haben. Oder er stiftet sie an, Frauen anzusprechen. Eggers ist also ein richtiger Gewinnertyp, so, wie man selbst einer sein will.
Der gesamte Erfolg von seinen Umfragen basiert auf diesem Prinzip, Menschen um den Finger zu wickeln und dabei das Gefühl größtmöglicher Leichtigkeit zu vermitteln. Die Antworten sind dann gar nicht mehr so wichtig: Beim Kennenlernen sollen Männer auch mal zuhören. Im Bett nicht nur an sich denken. Und bei der Frage, wofür sie Männer brauchen, fällt den meisten Frauen gar nicht so viel ein. Die Erkenntnis hält sich also in Grenzen.
Wer Klischees sät
Marc Eggers ist geschickt, er spricht auch ältere Frauen, Rentner, Väter mit ihren Töchtern an. Nie berührt er die Frauen unpassend, hakt sich höchstens mal bei ihnen ein. Fragt Jungs, ob sie ihren Freundinnen erlauben, Nacktfotos auf der Plattform Onlyfans zu veröffentlichen, um bei der nächsten Gelegenheit zu betonen, dass man Frauen wahrscheinlich nicht vorschreiben sollte, was sie zu tun haben und was nicht.
Er sät die Klischees, und die Teilnehmer seiner Umfragen bringen sie zum Blühen. Seine Witze sind zotig, aber keine Belästigung. Die Frauen sind das Spielmaterial, aber sie lachen ja. Und wer seine Sprüche nicht lustig findet, gehört in die Kategorie derer, die den Partysong „Layla“ nicht mehr hören wollten, weil sie ihn für respektlos und beleidigend oder einfach für ein besonders schlechtes Exemplar unter den Partysongs halten, diejenigen, die den Männern das Flirten verbieten wollen. Spielverderber.
Wenn aber alle damit einverstanden sind und ihren Spaß haben, wenn sie sich unterhalten fühlen, kann doch eigentlich nichts dagegen einzuwenden sein?
Wir spekulieren nicht darüber, wie viele angesprochene Frauen bei Eggers‘ Fragen abwinken und weitergehen. Wir wollen ihm zugestehen, dass er zielgenau diejenigen anläuft, die sie mit Vergnügen beantworten. Es ist eine alte und begehrte menschliche Disziplin zu betören, und über Charme und Humor lässt sich bekanntlich streiten. Früher, als betrunkene Jungs auf Studentenpartys, die sich von der Lehre der Pick-up-Artists der Neunziger inspirieren ließen, nach ausbleibendem Erfolg ihre Techniken offenbarten, schüttelte man nur verwundert den Kopf.
Aber es gibt etwas, das Marc Eggers mit den Männern gemein hat, die sich heute vor Millionen Fans im Internet weigern, Müll zu recyceln, die schnelle Autos fahren und von in ihrem männlichen Wettbewerb um Sex berichten: Ihre Zielgruppe sind Männer, die eben nicht nach drei Minuten auf der Straße mit zwei Frauen zum Geschlechtsverkehr verabredet sind. Sie präsentieren das Gegenteil von dem, was ihre Follower kennen. „Alles Taktik!“, versprechen sie.
Marc Eggers weiß das, er ist klüger, als er mit seinem pinken Schweißband aussieht. Er versteckt die Klischees hinter seinem Talent, mit allen ins Gespräch zu kommen. Dank ihm werden die Leute offener, finden seine Fans. Und wenn am Ende alle leicht zu kriegen sind, fällt das bisschen Machismo auch gar nicht mehr so auf.
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