Versuchen kann man es ja mal. Auf der Website zur Sendung „Der etwas André Unterricht“ sind Kinder aufgerufen, Fragen zu stellen, die sie im Homeschooling beschäftigen. Also hat Gereon in den Kommentarkasten geschrieben: „Was ist das Ergebnis von 5467 mal 2578?“ Wer, wenn nicht die Macher einer Wissenssendung, sollte das beantworten können?

Redakteur im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Nicht immer wird in das Fernsehen so große Hoffnung gelegt wie in diesen Zeiten. Ein vergessenes Wort ist wiederaufgetaucht, dessen Staubschicht Eltern am Limit plötzlich aufregend zu glitzern scheint: „Schulfernsehen“. Dass die BBC jetzt ein solches Schulfernsehen ausstrahlt, hat ARD und ZDF in Zugzwang gebracht. Eilends haben sie ein „erweitertes Bildungsangebot“ versprochen. Nimmt man das ein wenig unter die Lupe, neigt man zu dem Urteil, das süffisante Pädagogen gern über lernschwache Schüler fällen: Sie haben sich bemüht.
Wasserglas auf dem Schreibtisch
Der Spartenkanal ARD-alpha zum Beispiel blendet nun morgens zwischen neun und zwölf die Worte „Schule daheim“ ein, während er nichts anderes zu zeigen scheint als sonst auch. Auf einen Englisch-Sprachkurs von 1997 folgt da ein kurzer Clip, der uns in die Kunst des Protokollschreibens einführt und die Frage aufwirft, ob sich das Programm wohl eher an die Eltern richtet. Anderntags läuft erst ein 18 Jahre altes Porträt des Schriftstellers Uwe Timm mit betulicher Klaviermusik und abgefilmtem Wasserglas auf dem Schreibtisch. Anschließend spaziert ein freundlicher älterer Herr im karierten Sakko zwischen überdimensionierten Reagenzgläsern mit bunten Flüssigkeiten hin und her und doziert in pastoralem Tonfall über Atommodelle. Dazu zeigt die Tricktechnik, was 1987 alles möglich war, denn aus ebenjenem Jahr stammt dieses „Telekolleg Chemie“, ein nun zum Schülerfernsehen umdeklariertes Bildungsprogramm für Erwachsene.
Völlig klar, dass das Fernsehgerät keine elektronische Ersatzlehrkraft ist, die den Lehrplan möglichst vieler Klassen abarbeitet. Die beliebige Programmierung aber bestätigt nur, dass die Tage des linearen Fernsehens gezählt sind. Websites wie „Planet Schule“ (WDR/SWR), „Terra X plus Schule“ (ZDF) oder „alpha Lernen“ (BR) bieten dann auch durchaus übersichtliche, nach Fächern und Altersstufen sortierte Bildungsangebote. Wer seinem Kind da aus den passenden Sendungen einen Stundenplan zusammenzustellen versucht, kommt am Ende aber auch wieder nicht zum Arbeiten.
Eisbahn in der Wohnung
Dann doch lieber „Der etwas André Unterricht“ des WDR-Fernsehens. Täglich eine knappe Schulfernsehstunde mit dem lausbübischen Moderator André Gatzke und der Grundschullehrerin Pamela Fobbe als seriösem Sidekick. Zwischen auch nicht immer neuen Clips plaudern sie über dies und das, versuchen sich an 360-Grad-Sprüngen, bei denen Gatzke das Handy aus der Tasche fliegt, simulieren mit Plastikdecke, Wasser und Spülmittel eine Eisbahn und beantworten Fragen der Kinder. Etwas Klamauk, etwas Betreuung, etwas Zerstreuung mit Anspruch. Mehr kann man nicht erwarten. Und viel mehr bietet auch die BBC nicht.
Uneins ist das sympathische Duo bei der Zuschauerfrage, ob man Klassenkameraden Lösungen vorsagen soll. Lehrerin Fobbe warnt, dass der andere dann ja nichts lerne, Gatzke schlägt ein Tauschgeschäft vor: Ich mach heute deine Aufgaben, mach du morgen meine. Der arme Gereon hingegen wartet immer noch auf das Ergebnis von 5467 mal 2578. Auf seine Frage antwortete das Team der Sendung nur mit der Gegenfrage, ob man ihm den Lösungsweg aufzeigen solle.