„Pose“-Macher Steven Canals : „Ich wollte den richtigen Schlusspunkt finden“
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Hat selbst entschieden, wann Schluss ist: „Pose“-Macher Steven Canals Bild: dpa/picture-alliance
Nach drei erfolgreichen Staffeln endet die Serie „Pose“ – weil Macher Steven Canals es so wollte. Im Interview spricht er über seinen Antrieb, Kompromisse, und warum die Serie sein „Mad Men“ ist.
Dass „Pose“ eine Serie für die Fernseh-Geschichtsbücher ist, ahnte man schon bei der Premiere 2018. Nie zuvor waren so viel trans, queere und überwiegend nicht-weiße Figuren auf dem Bildschirm zu sehen gewesen – und auch als Autorinnen und Autoren an der Entstehung beteiligt. Tatsächlich sorgte „Pose“ dann nicht nur für gute Quoten, sondern setze auch bei den Emmy Awards Meilensteine: Billy Porter wurde 2019 der erste schwarze Schwule, der als Bester Hauptdarsteller in einem Drama ausgezeichnet wurde, in diesem Jahr nun wurde mit MJ Rodriguez die erste trans Hauptdarstellerin nominiert. Drei Preise durfte die Serie am Ende mit nach Hause nehmen, für die Kostüme, das Make-up und die Frisuren. Nach der dritten Staffel, die in Deutschland nun bei Netflix zu sehen ist, ist trotzdem Schluss. Darüber sprachen wir mit Steven Canals, dem 41 Jahre alten Showrunner und Erfinder von „Pose“, beim Séries Mania Festival in Lille.
Mr. Canals, Ihre Serie „Pose“ zeichnete von Beginn an aus, dass sie von ihrem Milieu – also der Ballroom-Szene queerer Schwarzer und Latino-Menschen im New York der Achtziger und später Neunziger Jahre – mit einer Selbstverständlichkeit erzählt, bei der es offenkundig nicht darum ging, permanent zu erklären oder alle und jeden mit ins Boot zu holen. Hatten Sie bewusst kein Interesse daran, drüber nachzudenken, ob vielleicht auch ein weißer, heterosexueller Mann aus der Provinz etwas damit anfangen kann?
Als ich mir die Serie während meines Studiums ausdachte, war für mich ganz klar, wie das Publikum für „Pose“ aussieht: Schwarz und Latino, queer und trans. Mein Antrieb war ja nun einmal, dass ich mich selbst als Teenager nie auf dem Bildschirm repräsentiert sah und daran endlich mal etwas ändern wollte. Es war dann Ryan Murphy, dem ich ja verdankte, dass ich die Serie überhaupt umsetzen konnte, der mich dazu drängte, auch darüber nachzudenken, ob die Geschichte nicht auch für andere interessant sein könnte – wogegen ich mich anfangs sehr sträubte.
Weil Sie fürchteten, mit faulen Kompromissen Ihre Vision zu verwässern?
So ungefähr. Aber Ryan war sich sicher, dass es Wege gibt, andere, ganz unterschiedliche Menschen in diese Welt und die Leben meiner Figuren einzuladen, ohne die Spezifizität dreinzugeben, die das Ganze für mein intendiertes Publikum so besonders macht. Da die Serie im Grunde von universellen Themen wie Liebe und Familie, Unverwüstlichkeit und Überleben handelt, war es letztlich gar nicht so schwer einem breiten Publikum Einlass in diese Welt zu gewähren. Ich musste nur sicherstellen, dass ich eine ehrliche, wahrhaftige Geschichte erzähle.
Zumal diese Geschichte und besagte Welt ja auch spannend und faszinierend sind, selbst wenn man keinen persönlichen Bezug dazu hat.
Das hoffe ich natürlich. Und muss tatsächlich auch betonen, dass der Erfolg von „Pose“ sich nicht einzig der Tatsache verdankt, dass ich allgemein zugängliche Themen verhandle. Wir hatten natürlich auch das Glück zu einer Zeit an den Start zu gehen, in der es ganz offensichtlich einen Hunger auf neue, andere und kulturell diverse Geschichten gibt. Die Serie ist anders gewesen als alles, was es sonst im Fernsehen zu sehen gab – und danach suchen die Leute gerade.
Bevor Sie Ryan Murphy trafen, hatten Sie in Hollywood 150 erfolglose Meetings zu „Pose“. Waren Sie jemals soweit, die Serie aufzugeben? Oder wussten Sie immer, dass Sie es irgendwann klappt?
Beides stimmt irgendwie. Ich war vielleicht nie bereit zu sagen: scheiß’ drauf, das war’s. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass „Pose“ mein „Mad Men“ wird.
Das müssen Sie erklären.
Matthew Weiner, der Schöpfer der Serie „Mad Men“, hatte die damals recht früh in seiner Karriere geschrieben, doch niemand wollte sie umsetzen. Sie lag dann in seiner Schublade, und erst nachdem er an den „Sopranos“ mitgewirkt und andere Sachen geschrieben hatte, zog er sie wieder hervor – und plötzlich wollte jeder mit ihm diese Serie machen, die dann auch ein riesiger Hit wurde. Ich stellte mir also auch vor, dass ich mir erst einmal zwölf oder mehr Jahre meine Sporen in dieser Branche verdienen müsse, bevor ich die Chance bekäme, „Pose“ zum Leben zu erwecken. Aber ich merkte eben auch, dass diese Geschichte zu wichtig für mich war und zu viel daran hing, als dass ich sie je ganz aufgegeben hätte.