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Start-Up Sendmepack : „Bisher haben wir fast eine Million Kartons vor der Papiertonne gerettet“

  • -Aktualisiert am

Einige von mehr als 4,5 Milliarden Paketen im Jahr: Blick in ein DHL-Paketzentrum Bild: dpa

Wir verschicken pro Jahr mehr als 4,5 Milliarden Pakete. Sind sie ausgepackt, landen 99 Prozent der Kartons im Müll. Ein Gespräch mit zwei Gründern, die das ändern wollen.

          3 Min.

          Frau Reed, Herr Bondulich, ver­mutlich hat jeder schon mal Verpackungskartons für Geschenke oder zur Aufbewahrung wiederverwendet. Sie haben mit Sendmepack ein Unternehmen gegründet, das Pakete im großen Stil zur Weiternutzung aufbereitet. Wie kam das?

          Philip Bondulich: Ich trage die Idee schon neun Jahre mit mir herum. Damals ar­beitete ich im Designbereich und lernte einen Onlinehändler kennen, der seine Ware immer in gebrauchten Kartons verschickte. Dafür bekam er negative Bewertungen bei Google. Sein Fehler: Er hat nirgends erwähnt, dass er das der Umwelt zuliebe tut. Genau das zu kommunizieren, das tun wir seit zwei Jahren.

          Michelle Reed und Philip Bondulich von Sendmepack
          Michelle Reed und Philip Bondulich von Sendmepack : Bild: Unternehmen

          Wie sind Sie das Projekt angegangen? Sie kommen beide nicht aus der Logistikbranche.

          Bondulich: Unsere erste Anlaufstelle war ein Fulfillment Center, also ein Logis­tiker für Onlineshops und Brands. Diese bekommen Ware in großen Kartons und versenden die bestellten Produkte an Kunden. Sobald die Kisten leer sind, werden sie weggeworfen. Genau dort setzen wir an. Unsere Mitarbeitenden fangen vor Ort die Kartons ab und retten sie so vor der Papiertonne. Wir stören dabei keine Produktions- oder Lieferprozesse, sondern integrieren uns in eine bestehende Logistikkette.

          Und das klappte auf Anhieb?

          Bondulich: Wir waren erst recht blau­äugig. Dachten, wir kommen einmal die Woche und holen Kartons ab. Tatsächlich stehen die Kartons auf einer über 120. 000 Quadratmeter großen Logistikfläche und werden gefühlt im Minutentakt geleert. Schnell wurde uns klar, dass wir Menschen vor Ort brauchen. Jetzt retten diese täglich die Kartons an den drei Standorten Berlin, Leipzig und Nürnberg.

          Wie bereitet man Kartons dann auf?

          Michelle Reed: Sie werden zuerst von Hand auf Flecken, weiche Stellen, Stabilität und Löcher untersucht. Immerhin muss ein wiederverwendeter Karton die Ware genauso gut schützen wie ein neuer. Im zweiten Schritt wird der Karton von Adressetiketten und Verpackungsbändern befreit, bei Bedarf repariert und mit unserem „Reused“-Label versehen. Darauf befindet sich auch ein individueller QR-Code. Mit diesem und mit der App sehen die Kunden, wie viel CO2 mit dem wiederverwendeten Karton gespart wurde. Unternehmen, die in eigenen designten Kartons versenden, nutzen unsere Idee auf Basis eines Lizenz­vertrages. Sie haben eigene Leute für die Aufbereitung, verwenden aber unser Label.

          Wer sind die Kunden?

          Reed: Unsere Kunden sind Onlineshops wie zum Beispiel Outfittery, Avocadostore, Vytal, Your Superfoods. Darunter sind aber auch kleinere und mittelständische Marken. Jeder Onlineshop braucht Versandkartons, ob Etsy-Shop oder Weltkonzern.

          Wie oft kann man einen Karton wiederverwenden?

          Bondulich: Aus Spaß haben wir einen zehnmal hin- und hergeschickt. Der war danach wirklich reif für die Tonne (lacht). Spätestens nach dem fünften Mal ist Schluss. Bisher haben wir fast eine Million Kartons vor der Papiertonne gerettet.

          Stichwort Papiertonne – was ist so schlecht daran, immerhin wird Papier ja recycelt?

          Reed: Intakte Kartons sind noch nicht reif für die Tonne. Wir verlängern die Nutzungsdauer eines Produktes, bis es nicht mehr geht. Erst nach dem sogenannten Precycling ist Recycling super. Davor allerdings nicht, denn es braucht Unmengen an Energie und Wasser. Oft fließen neue Rohstoffe hinein, weil die Fasern mit jedem Recyclingprozess kürzer werden. Wir verstehen uns als eine Bremse im System.

          Wiederverwendbar und stolz drauf: Kartons von Sendmepack
          Wiederverwendbar und stolz drauf: Kartons von Sendmepack : Bild: Unternehmen

          Gerade arbeiten Sie am Aufbau von Rückgabestationen. Dort kann man als Verbraucher seine Kartons zurückgeben, sofern sie mit dem Sendmepack-Label versehen sind. Wie wird das System funktionieren?

          Reed: Nach eineinhalb Jahren auf dem Markt sind diese Stationen immens wichtig geworden. Es ist nicht jedem Endverbraucher klar, dass die Nachhaltigkeit schon stattfindet, wenn ein Händler unsere Kartons nutzt. Zurückgeben kann man sie im Einzelhandel, bei großen Ketten oder in kleinen Läden: Wir nutzen, ähnlich wie der Hermes-Paketdienstleister, die innerstädtische Infrastruktur. Menschen geben ihre leeren Sendmepack-Kartons ab und können verfolgen, wie viel weniger CO2 dadurch freigesetzt wurde. Kleine Händler sparen sich die Kosten für neue Kartons, und Endverbraucher freuen sich über eine weniger volle Papiertonne und eine gute Tat. Der Händler muss dafür nur den Code am Karton einscannen, damit die CO2-Bilanz weiterhin ermittelt wird.

          Wo befinden sich diese Stationen?

          Reed: Wir haben jetzt mit 30 „Stations“ deutschlandweit begonnen. Hierzu zählt beispielsweise der „1. FC Nürnberg Shop“ in der Nürnberger Innenstadt. Unser Ziel ist es, das Netzwerk über das Jahr auf mehrere Tausend auszuweiten und auch Einzelhandelsketten und Kaufhäuser als Partner zu gewinnen. Alle „Stations“ lassen sich in unserer App finden.

          Wonach bemisst sich der CO2-Fußabdruck eines Kartons? Ist er nicht je nach Größe immer gleich?

          Reed: Hierzu haben wir Wellpapp­anlagen besucht und uns die Zahlen geben lassen. In der Tat zählt nicht die Größe eines Kartons, sondern das Gewicht. In Gramm entspricht es dem CO2-Grammwert, der benötigt wurde, um den Karton neu zu produzieren. Jedes Sendmepack ersetzt mindestens einen neuen Karton und spart damit durchschnittlich 260 Gramm CO2 und vier Liter Wasser pro Nutzung.

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