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Menicure-Trend : Eine subtile Provokation

Der Nagellack fällt eigentlich nur in engem sozialen Miteinander auf. Liegt gerade darin das große Potential zur Provokation? Bild: Helmut Fricke

Es ist nur ein Detail, aber das hat umso größeres Empörungspotential: lackierte Nägel an Männerhänden. Warum eigentlich?

  • -Aktualisiert am
          4 Min.

          Es gibt gute Gründe, sich die Nägel nicht zu lackieren. Denn diese Kunst erfordert millimetergenaue Feinarbeit mit einem winzigen Pinsel. Und beim Trocknen warten weitere Widrigkeiten: Nur ein Haar oder ein Staubkorn, und schon zieht sich doch wieder ein Riss durch die oberste Schicht, und die mühevolle Arbeit beginnt von vorn. Der gesamte Prozess ist etwas für Geduldige. Falls Sie es nicht glauben, weil Sie es noch nie getan haben: Probieren Sie es einfach einmal aus!

          So merkwürdig es klingt: An lackierten Nägeln entzünden sich immer wieder Debatten von großer gesellschaftspolitischer Tragweite. Seit einiger Zeit geht es dabei um Männer, denn ja, die tragen auch wieder Nagellack: nicht mehr nur auf verrauchten Bühnen wie früher schon Kurt Cobain und David Bowie, sondern auch Männer in Abendgarderobe auf dem roten Teppich oder nachmittags im Café.

          Die Geschichte des Nagellacks wurde von Männern geschrieben

          Vor etwas mehr als zwei Jahren ging die Geschichte des 17 Jahre alten Trevor aus Texas um die Welt, der seine lackierten Nägel in die Kamera hielt und sagte, er sei deshalb von seiner Schule suspendiert worden. Darüber wurde im Internet viel diskutiert. Die Kleiderordnung der Schule sah vor, dass Männer keinen Nagellack tragen dürfen. Trevor verstand das nicht. So wie Zehntausende, die eine Petition unterschrieben: „Allow males to wear nail polish!“ – Erlaubt es Männern, Nagellack zu tragen!

          Solche Forderungen wirken erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Geschichte des Nagellacks eigentlich von Männern geschrieben wurde. Sie beginnt schon 3500 vor Christus, als sich babylonische Kämpfer die Nägel als Teil eines Kriegsrituals färbten. Die Ägypter nahmen Henna für ihre Nägel, die alten Griechen gelbe Blütenblätter. In der Moderne kam der Nagellack erst in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wieder auf, als Autos und deren neue Lack-Variationen viel Beachtung fanden. Warum nicht auch die Nägel der Frauen lackieren, wenn das bei Autos auch so gut funktioniert?

          Bei der Premiere des Psychothrillers „Don’t Worry Darling“ auf dem Filmfestival in Venedig winkt der Sänger und Schauspieler Harry Styles dem Publikum zu.
          Bei der Premiere des Psychothrillers „Don’t Worry Darling“ auf dem Filmfestival in Venedig winkt der Sänger und Schauspieler Harry Styles dem Publikum zu. : Bild: AFP

          Als der französische Autohersteller Renault noch einmal knapp 100 Jahre später, 2017, eine Nagellacklinie auf den Markt brachte, rief diese Verknüpfung zwischen Autolack und Nagellack Empörung hervor. Zu sehen ist eine Frau, die erst ihre Nägel in Babyblau lackiert und dann mit demselben Lack die Schrammen an ihrem ebenfalls babyblauen Twingo ausbessert.

          Der Vorwurf: Renault spiele mit einem sexistischen Klischee, und zwar mit dem der Frau, die offenbar nicht schrammenfrei Auto fahren kann, aber dafür – welch ein Glück – immer Beauty-Produkte in ihrer großen Handtasche trägt. Auf den Vorwurf reagierte der Chef der Renault-Nagellackmarke mit der Aussage, dass auch Männer diesen Lack benutzen würden. Er selbst habe beispielsweise schon damit angefangen, die Kratzer auf seinem Auto damit auszubessern.

          Die Skurrilität der Nagellackdebatten liegt vielleicht gerade darin, dass die Geste als solche so harmlos ist. Das Tragen von Nagellack ist eher subtil. Man sieht Hände vor allem dann, wenn man jemandem nahekommt, wenn man sich die Hand reicht, etwas übergibt oder sich mit jemandem unterhält. Der Nagellack fällt eigentlich nur in engem sozialen Miteinander auf. Oder liegt gerade darin großes Potential zur Provokation?

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