Disney-Fans bei Expo D23 : „Als wären wir alle Teil einer großen Nerd-Sekte“
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Lange Schlangen: Disneyfans reisen zur D23 Expo schon im Kostüm an. Bild: AFP
Lange Schlangen und kostümierte Erwachsene: Disney verspricht seinen Fans ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl. Unser Autor hat sich angesehen, wie das bei einer Messe in Kalifornien aussieht.
Am Frühstücksbüffet des Marriott Hotels im südkalifornischen Anaheim kann man schon einmal jemand mit Mickey Mouse-Ohren auf dem Kopf begegnen. Das Hotel liegt immerhin in Laufnähe von Disneyland, jenem legendären ersten Vergnügungspark, den Walt Disney hier persönlich 1955, keine Stunde südlich von Los Angeles, eröffnete, wo die Souvenirshops seit Anbeginn fest zum Geschäftsmodell gehörten. Doch wenn am Nachbartisch dann auch noch jemand im kompletten Schneewittchen-Kostüm bei Omelett und Kaffee sitzt und wenig später eine Gruppe Stormtrooper in weißen „Star Wars“-Rüstungen die Lobby durchquert, dann ahnt man, dass womöglich doch kein ganz gewöhnliches Wochenende ansteht.
Unmittelbar neben dem Hotel liegt das Anaheim Convention Center, ein schmuckloser Veranstaltungskomplex, wo alle zwei Jahre im Herbst (und in diesem Jahr Corona-bedingt zum ersten Mal seit 2019) die D23 Expo stattfindet. Die Veranstaltung mit dem eher rätselhaften Namen, der auf das Jahr 1923 anspielt, in dem Walt Disney seine Firma gründete, ist der Grund für die zahlreichen kostümierten Hotelgäste: die Versammlung des offiziellen Disney-Fanclubs D23, eine der ungewöhnlichsten Großveranstaltungen in der daran nicht armen Unterhaltungsindustrie.
Events, bei denen Fanbegeisterung und die Lust auf Verkleidung auf Kommerzialisierung und Marketing treffen, sind natürlich keine Seltenheit. Die Comic Con in San Diego und zahllose Ableger oder Nachahmer sind dafür das beste, hinlänglich etablierte Beispiel. Doch die D23 Expo ist ein ganz eigener Fall, schließlich lässt sich hier ein einzelner Konzern feiern. Und nutzt die Gelegenheit gleich dazu, ordentlich die Werbetrommel für neue Produkte zu rühren und im Idealfall auch noch jede Menge Merchandise an den Mann und die Frau zu bringen.
Harrison Ford und Jamie Lee Curtis
Im Zentrum der dreitägigen Veranstaltungen standen auch in diesem Jahr wieder zwei mehrstündige Shows, in denen kommende Produktionen vorgestellt wurden, die teilweise wenige Wochen später, mitunter aber auch erst im nächsten Jahr im Kino oder beim Streamingdienst Disney+ zu sehen sind. Hunderte, in den seltensten Fällen sonderlich junge Fans warten dafür schon mitten in der Nacht vor den Toren, um am Ende die besten Plätze zu bekommen, und sitzen schließlich dicht gedrängt in einer Messehalle, um ein paar exklusive Ausschnitte, neue Trailer oder Poster zu sehen, die fast immer ein paar Stunden später auch im Internet freigeschaltet werden.
Bis zu 279 Dollar zahlt man für ein Drei-Tages-Ticket bei der D23 Expo (wer die ebenfalls kostenpflichtige Gold-Mitgliedschaft im Fanclub hat, bekommt einen Rabatt), und entsprechend viel Aufwand wird betrieben, um dem Publikum wenigstens spektakulären Mehrwert zu bieten. Harrison Ford kommt persönlich vorbei, um ehrlich gerührt einen ersten Einblick in den neuen „Indiana Jones“-Film zu gewähren. Jamie Lee Curtis, die eine kleine Rolle in „Haunted Mansion“ (basierend auf der Disneyland-Geisterbahn) haben wird, sorgt für begeisterten Jubel, ohne ein einziges Wort zu sagen. Und Marvel-Boss Kevin Feige hat als selbstironischen Gag exklusiv für die Veranstaltung in Anaheim eine „Avengers“-Musicalnummer komponieren lassen, die mit echter Band und Tänzerinnen und Tänzern auf die Bühne gebracht wird.
Dinge geboten zu bekommen, die sich nur vor Ort erleben lassen, scheint allerdings nur ein Beweggrund zu sein, den Weg nach Anaheim auf sich zu nehmen. Wer D23-Mitglied ist, so wird es in jeder zweiten Ansprache von der Bühne betont, gehört zur großen, glücklichen Disney-Familie, und die ist – so stellt sich der Konzern ja schon seit den Tagen des Firmengründers Walt Disney dar – nun einmal ein absoluter „happy place“. Befeuert von enthusiastisch freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wie man sie so ähnlich auch aus dem benachbarten Disneyland kennt, weht ein (mindestens behauptetes) Zusammengehörigkeitsgefühl durch die Säle, dem sich die Fans nur allzu gerne hinzugeben scheinen. Was nicht heißt, dass Disney-CEO Bob Chapek, der das Unternehmen seit 2020 führt und seither in vielerlei Hinsicht glücklos bis umstritten agiert, mit unüberhörbaren Buh-Rufen aus dem Publikum begrüßt wird.