Neue Häuser : Interessante Architektur ist machbar, Herr Nachbar!
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Wie eine Schublade schiebt sich die Terrasse aus dem Haus. Bild: Kretzer, Michael
Ein schmales Grundstück und ein überschaubares Budget sind kein Hinderungsgrund. In Frankfurt ist unter diesen Bedingungen ein ausgezeichnetes Wohnhaus entstanden.
Manchmal, wenn es schon dunkel ist, hört Martin Walter einen dumpfen Schlag. Noch bevor es dann kurz darauf an seiner Haustür klingelt, weiß er schon, was passiert ist. Wieder einmal hat ein auf dem unwirtlichen Bahnhofsvorplatz gestrandeter Reisender den langgestreckten Neubau mit einem in der Nachbarschaft gelegenen Hotel verwechselt und ist mit Sack und Pack gegen die verschlossene Haustür geknallt. „Dass in so einem Haus jemand ganz normal wohnt, können sich viele zunächst einfach nicht vorstellen“, erklärt Walter die Verwechslung.
Hier, tief im Osten Frankfurts, ist das schmale Wohnhaus im Schachtelformat eine kleine, unerwartete architektonische Sensation: Schlicht, gradlinig und durchkomponiert steht der Bau in der Nachbarschaft von Parkplätzen, einem heruntergekommenen Bahnhofsgebäude und diversen Wohnhäusern. Mit seiner schwarzen Seitenwand, durch die sich ein Fensterband zieht, zeigt er sich zur Straße hin nüchtern und doch nicht abweisend. Vor allem macht er deutlich, wie viel Qualität möglich ist, auch wenn die Mittel und Möglichkeiten begrenzt sind.
Die ersten drei Architekten lehnten ab
Vor sieben Jahren hatte Martin Walter das nur 300 Quadratmeter große Grundstück entdeckt. Er war damals auf der Suche nach einem Bauplatz in den Außenbezirken der Stadt unterwegs, um einen bezahlbaren Flecken Land aufzuspüren. Zufällig landete er eines Tages vor dem Fechenheimer Bahnhof - und sah den zum Verkauf stehenden Bauplatz.
Walter ist keiner, der an der Aussicht herummäkelt oder eine heimelige Nachbarschaft braucht oder besonders lärmempfindlich ist. Die Gegend, in der sein Haus steht, ist so, wie sich viele Frankfurter den ganzen Stadtteil vorstellen: ein sogenanntes Mischgebiet, in dem Gewerbebauten auf Wohnhäuser treffen. Ziemlich laut geht es hier zu. Und wenn überhaupt, dann verströmt die Nachbarschaft allenfalls spröden Charme. Martin Walter hat sich daran nicht gestört. In der Stadt müsse man nun mal Kompromisse machen. Ihm sei vor allem wichtig gewesen, dass er ein Haus nach seinen Vorstellungen bauen konnte, ohne zu sehr vom Baurecht gegängelt zu werden, erzählt er. Was er wollte: ein Haus mit Flachdach, das offen ist und doch Rückzugsmöglichkeiten bietet, am liebsten ganz aus Beton.
Die ersten drei Architekturbüros, die er kontaktierte, winkten ab. Das Budget von weniger als 300 000 Euro war ihnen zu bescheiden. „Zu viel Aufwand, zu wenig Verdienst“, beschieden sie dem Bauwilligen. Der stieß schließlich bei der Lektüre eines Bildbands über günstige Einfamilienhäuser auf das Büro Liquid Architekten von Kerstin Schultz und Werner Schulz. Die beiden planten damals gerade das neue Affenhaus für den Frankfurter Zoo und begeisterten sich für das kleine Vorhaben, zu dem sie später noch den Architekten Harald Fay hinzuzogen.
Ein Bauherr mit vielen Ideen
Walter hatte sich da schon sehr genau ausgemalt, wie sein Haus einmal aussehen sollte. Er hat ein Faible für Architektur, und als Grafiker fiel es ihm nicht schwer, seine Vorstellungen zu Papier zu bringen. „Vieles davon wurde übernommen“, sagt er nicht ohne Stolz. Anderes aber haben die Fachleute weiterentwickelt oder ganz umgekrempelt. Für das schmale, konisch zulaufende Grundstück hatte sich der Eigentümer einen aus mehreren Kuben bestehenden Bau samt Flachdach und Atrium vorgestellt. Die Architekten beschieden ihm, dass ein Atrium wegen der zusätzlichen Außenwände die Kosten steigen lassen würde. So begrub Walter diesen Wunsch ebenso wie die Idee, ein Haus ganz aus Sichtbeton zu bauen. Nur die Böden sind jetzt aus diesem Material. Ansonsten fiel die Wahl auf Porotonziegel.