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Die Unvollendete : Justos Erbe

Seit 1961 im Bau: Die Nuestra Señora del Pilar hat Justo Gallego Martinez aus Abfallmaterialien gefertigt. Bild: AFP

Mehr als ein halbes Jahrhundert hat der Spanier Justo Gallego an seiner „Kathedrale des Mülls“ gebaut. Jetzt ist er gestorben. Andere setzen sein Werk fort.

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          Sie blieb seine Unvollendete. Seit 60 Jahre baute Justo Gallego Martínez seine eigene Kathedrale. Ohne Geld, ohne Genehmigung und zum großen Teil aus Schrott und Schutt wuchs in einem Vorort von Madrid die Nuestra Señora del Pilar in den Himmel. Am Sonntag ist ihr Erbauer im Alter von 96 Jahren gestorben. Der größte Wunsch von Justo Gallego war es, dass andere sein Werk fortsetzen, an dem er mit eigenen Händen mehr als ein halbes Jahrhundert gearbeitet hat. Sechs Tage in der Woche war er zwölf Stunden lang von sechs Uhr an auf der Baustelle, nur am Sonntag gönnte er sich eine Pause. Er stelle sich in den „göttlichen Fluss“, das gebe ihm Kraft, sagte er.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Von Anfang an war er seiner Zeit voraus: Seine Kirche ist ein riesiges Recycling-Projekt aus Material, das andere nicht mehr brauchten. Im Volksmund heißt die Basilika auch „Justo-Kathedrale“. Sie ist 55 Meter lang, 25 Meter breit und 35 Meter hoch. Zwölf Türme soll sie nach seinen Plänen haben, zwei davon werden bis zu 60 Meter weit in die Höhe ragen. Das Grundstück, ein Feld unweit der heutigen Schlafstadt Mejorada del Campo, erbte er von seinem Vater. Er selbst war Landarbeiter, bevor er mit 27 Jahren Trappistenmönch wurde. Als Novize erkrankte er an Tuberkulose und musste das Kloster bald wieder verlassen.

          Sein Werk im Blick: Justo Gallego Martínez
          Sein Werk im Blick: Justo Gallego Martínez : Bild: ddp

          Er legte ein Gelübde ab: Sollte er geheilt werden, werde er der Schutzheiligen Spaniens, der Nuestra Señora del Pilar, ganz allein eine Kirche bauen. Nur sein Tod hinderte ihn daran, Wort zu halten: Justo Gallego fing an, ohne einen Architekten zu konsultieren oder die nötigen Genehmigungen einzuholen. Jahrzehntelang drohten Abriss oder Einsturz. Manche sahen in ihm einen neuen Don Quijote. Doch mit seiner Hartnäckigkeit belehrte der hagere Vegetarier, der sein Gemüse selbst anbaute, alle Bedenkenträger eines Besseren. Im Jahr 2005 machte ihn eine Mineralwasserwerbung über die spanischen Grenzen hinaus bekannt; Touristen kamen in Bussen. Das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) widmete dem Bauvorhaben eine Ausstellung.

          Justo Gallego wusste, dass er die Kirche nicht vollenden würde. Als seine Kräfte schwanden, fand er einen Nachfolger: Nachts pflegte Ángel López ihn, tagsüber baute er weiter. Zunächst hatte er in seinem Testament die Diözese von Alcalá de Henares als Erbin eingesetzt. Doch wegen der Bedingung, sein Werk zu vollenden, hielt sich die Begeisterung des Bischofs in Grenzen. Nun wird die katholische Hilfsorganisation „Mensajeros de la Paz“ sein Gelübde erfüllen. Ein Architektenbüro kümmert sich um die Legalisierung und die Statik, wie die Zeitung El Mundo berichtete. Nach der Fertigstellung sollen sich die 8000 Quadratmeter endlich mit Leben füllen. Vielleicht schon in zwei Jahren wird dort nicht nur gebetet werden, sondern auch ein Sozialzentrum samt Armenspeisung entstehen. In der Krypta darunter wollte Justo Gallego seine letzte Ruhe finden. Ob dieser Wunsch Wirklichkeit wird, das war am Montag noch nicht klar.

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