Im Gespräch mit Wolfgang Joop : „Ich habe das Hemd auf den Kopf gestellt“
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"Man traut in Deutschland keinem Designer": Wolfgang Joop, 74, im Juli in Berlin bei der Präsentation seiner Kollektion für van Laack Bild: Henning Rakete
In den neunziger Jahren galten sie noch als Konkurrenten, heute arbeiten sie zusammen: In Berlin präsentiert Wolfgang Joop seine neue Kollektion für van Laak. Im Interview spricht er über die Zusammenarbeit und „Shirt-Life-Balance“.
Herr Joop, leben Totgesagte länger?
Das sagt man so, oder? Das sagt man vor allem über eine Marke, die richtig staubig ist. Die wiederzuerwecken lockt sehr kreative Leute an, die sich das zutrauen. Eine totere Marke als Gucci gab es vor Tom Ford nicht. Eine totere Marke als Chanel gab es vor Lagerfeld auch nicht.
Sie haben nach dem Ausscheiden bei dem von Ihnen gegründeten Label Wunderkind nun einen neuen Job: Bei van Laack sind Sie als Kreativdirektor der neuen Marke „van Laack Meisterwerk by Wolfgang Joop" ab sofort für zwei Kollektionen pro Jahr verantwortlich.
Natürlich kommt die Frage: „Warum jetzt noch mal?"
Und, warum?
Ich hatte keinen Abschied genommen. Nach Wunderkind wusste ich, dass ich mit der Mode nicht aufhören werde. Aber ich wusste auch, dass ich kein Unternehmer mehr sein wollte. Es brauchte die richtige Orientierung mit leichtem Gepäck. Für van Laack war ich bereit.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Ich hatte das Glück, einen ihrer Mitarbeiter per Zufall in der „Paris Bar" getroffen zu haben. Als er sagte, er sei von van Laack, wurde ich hellhörig. Die fand ich schon immer gut. Von van Laack war mein Konfirmationshemd, ich hatte mich bei meinen Eltern erfolgreich gegen ein anderes durchgesetzt. Wenig später kam der Anruf des CEOs Christian von Daniels. Er ist so open minded, er hat mich einfach gewähren lassen. Es gibt nicht viele Unternehmen in Deutschland, die so eine Partnerschaft ermöglichen.
Inwiefern?
Man traut in Deutschland keinem Designer – das könnte ja riskant sein! Weil Marken lieber den mediokren Geschmack wollen, von dem sie glauben, dass der Deutsche ihn will. Mode ist Aufregung! Warum denn noch Kleider kaufen, wenn man eh schon zu viele hat? Wenn ich etwas Neues möchte, dann will ich mich neu zeigen, neu fühlen.
Van Laack ist für seine Business-Hemden bekannt. Worin liegt für Sie die kreative Herausforderung?
Im Grunde war mein Denken bei Wunderkind auch sehr shirtig. Die Kleider waren Shirts in verschiedenen Variationen. Dann stellte ich fest, dass van Laack mit dem gleichen Lieferanten arbeitet, mit dem ich auch gearbeitet habe. Es ist kein Absturz in ein anderes Niveau. Aber es fehlte ihnen natürlich ... hallo-ho (schwenkt seine Hand, als würde er mit einem Zauberstab fuchteln). Ich schon nervös und ihr noch am Schlafen? Anfangs hatte ich das Gefühl, die machen nur Urlaub.
Und dann haben Sie in kürzester Zeit eine Kollektion auf die Beine gestellt.
Das haben wir in nur zwei Monaten geschafft! Zu meinem Talent kommt bei van Laack der kommerzielle Aspekt, das funktioniert. Wir haben ein wunderbares Werk in Tunesien. Aus der Kläranlage kommt ein Wasser heraus, das ist so sauber wie in diesem Glas hier, das könnte man trinken. Alles habe ich genau geprüft, weil ich eines weiß: Ich werde heute nach diesen Dingen gefragt.
„Van Laack – das königliche Hemd" lautete ein früher Slogan der 1881 gegründeten Marke. Es heißt, dass in den Neunzigern ausgerechnet Sie, damals noch mit der Marke Joop, zu einem der größten Konkurrenten wurden.
Und heute entwerfe ich für sie. Witzig, oder? Aber ich habe lange gewartet. Joop ist derweil Menswear geworden. Das ist traurig. Mir fehlen Sexappeal und Spannung. Bei van Laack konnte ich auch die Frauen reinbringen. Da ist der schärfste Rock überhaupt dabei, wie ich ihn schon in den Siebzigern hammerscharf an allen Mädchen fand, die ich kannte: ein verstellbarer Wickelrock aus Hemdenstoff, ein doppelter Kreis mit Taschen. Meine Frau trug so etwas damals während der Schwangerschaft.
Und das Motto der Kollektion, „Shirt-Life-Balance"?
Das ist ein Wort, das ich natürlich oft benutze: Es muss alles in der Balance stehen. Die Kollektion ist um ein Hybrid-Business-Hemd herumgebaut, das ich erfunden habe. Es hat seitlich eingearbeitete Gewirk-Streifen, die Bewegungsfreiheit erlauben. Generell habe ich das Shirt auf den Kopf gestellt. Hemden bemalte ich wie eine Leinwand. Ich bin zudem ein großer Sammler afroamerikanischer Kunst. Davon inspiriert habe ich Hip-Hop mit reingebracht und ein wenig hillbilly. Alles ist etwas ironisch, aber auf eine unzynische Art.
Können Sie das erklären?
Für einen Herrenlook kombiniere ich zum Beispiel ein Sakko zu einer Boxershorts, als hätte der Junge die Hose vergessen. Das finde ich an der Mode im Gegensatz zur Kunst so toll: Design kommt in den Alltag und verändert ihn. Mit jedem einzelnen piece kannst du deine Garderobe neu aufbauen. Kunst bedeutet Distanz. Bei der Mode ist alles zum Anfassen.