Wolfgang Joop im Gespräch : „Der Stil von Kate passt in unsere Prohibitionszeit“
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Designer und neuerdings Fernsehstar: Wolfgang Joop Bild: dpa
Er entwirft Kleider, er schauspielert, er ist in der Jury einer Casting-Show. Jetzt hat Wolfgang Joop auch ein Buch geschrieben – über die Stilikonen unserer Zeit. Heidi Klum, verrät er im Gespräch, gehöre allerdings nicht dazu.
Herr Joop, Sie haben ein Buch über Stilikonen geschrieben. Aber gibt es die überhaupt noch? Stil wird doch heute nur noch von Stylisten geprägt, nicht von den Persönlichkeiten selbst...
Das ist ein grundsätzliches Problem in der Mode. Wie es Li Edelkoort vor kurzem sagte: In der Mode gibt es keine Euphorie mehr. Alle Magazine haben einen ähnlichen Stil. Ob ich mir „Madame“, „Vogue“, „i-D“ anschaue, alles dieses komische geshoppte Virtuelle.
Viele Frauen sind aber auch unsicher und wissen nicht, was sie tragen sollen. Sind Stylisten die neuen Therapeuten?
Dafür haben wir ja Menschen wie Louise Maria Kretschmann.
Sie meinen Guido Maria Kretschmer?
Sorry, ich denke immer an Marie Louise Kaschnitz, das war eine Freundin meiner Eltern. Er hat natürlich das, was ich gar nicht habe: Er hat eine tragbar-elegante Kollektion auch für die nicht ganz dünne Frau, das hat was sehr Tröstendes. Dieses Sachbuch „Du bist attraktiv.“...
Sie meinen „Anziehungskraft. Stil kennt keine Größe“?
Na ja, das ist jedenfalls die Bettlektüre der Frau, die sich vorm Spiegel dreimal über sich selbst geärgert hat und jetzt getröstet werden will. So etwas Ähnliches hat man sich vielleicht im High-Fashion-Stil auch mit meinem Buch vorgestellt. Das kann ich aber nicht liefern.
Stattdessen sezieren Sie gnadenlos den Stil von Kate Middleton, die doch eigentlich als die neue Diana gefeiert wird.
Nur dass sie keinen Entertainment-Faktor hat. Diana war ja im royalistischen Sinne impossible. Sie hat sich mit schwulen Designern und mit schwulen Popstars befreundet. Das war dieser Taumel der hedonistischen Neunziger, wo Fashion und Drugs eine große Rolle spielten. Kate passt in unsere vegane Prohibitionszeit. Sie ist der antiseptische Gegenentwurf von Diana.
Ihr Stil sei ein „Schummel-Chic“, schreiben Sie, weil Kate zwar Kleider von der Stange trägt, in Wahrheit seien sie aber „customized“, also maßgeschneidert.
So was erkenne ich sofort. Man sieht, was maschinell und was per Hand eingesetzt ist. Die Ärmel ihrer Jäckchen sitzen immer passgenau und knapp über dem Handgelenk, alle Röcke enden bei ihr kurz über der Kniemitte. Die wurden von den royalen Schneidern angepasst.
Sie sagen, Kate habe keinen Entertainment-Faktor. Rihanna hat ihn, aber mit ihr sind Sie auch nicht zufrieden, weil sie in einen „Accessoire-Tsunami“ geraten sei.
Ich komme mir manchmal vor wie in einem Ingmar-Bergman-Film: Ich verstehe die Bilder nicht mehr. Das ganze R&B ist industriell verkommen. Was soll mir das sagen, wenn Rihanna eine Pelzstola mit dem Wort „Fear“ trägt, dazu riesige Hasenohren? Stylistenopfer. So kommt dieser visuelle Super-GAU zustande, alles zu kombinieren, was nichts miteinander zu tun hat, für den schnellen Effekt.
Aber es gibt ja auch Positives in Ihrem Buch, wie den Stil von Tilda Swinton. Sie haben sie mit einem Bild von Lucas Cranach verglichen...
Swinton ist mehr wie ein Kunstwerk. Sie ist attraktiv, aber nicht schön. Das, was wir als schön empfinden, ist immer auch eine Verabredung mit der Zeit. Wenn wir heute von einer schleichenden Homosexualisierung der Gesellschaft reden, müssen wir uns nicht wundern, dass wir Fußballerinnen und Boxerinnen mit Sixpack sehen wollen oder als heterosexuelle Alternative eine burleske Übertreibung wie Kim Kardashian.