Haute Couture in Paris : Das ist doch keine kopflose Kunst
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Kylie Jenner und Irina Shayk mit Löwenkopf am Kleid: Auf den Haute-Couture-Schauen kommt es zu tierischen Missverständnissen. Dabei ist Maßschneiderei für Überraschungen gut.
Umgarnt von Kameras schritt Kylie Jenner durch die Marmorhallen des Petit Palais, zur Haute-Couture-Schau der Marke Schiaparelli. Ein Stylist stellte mit Haarspray in der Hand sicher, dass ihre Frisur zu jeder Zeit saß. Eine andere Stylistin strich hektisch mit einem Fusselroller über das schwarze Kleid der 379-Millionen-Follower-Unternehmerin. Und eine dritte Stylistin kämmte das zurecht, was an dem Samtkleid hing: die Mähne eines täuschend echt aussehenden Löwenkopfes. Das war natürlich eine Kreation von Schiaparelli-Kreativdirektor Daniel Roseberry – Irina Shayk präsentierte das Kleid bald darauf auf dem Laufsteg.
Lauter Köpfe! Naomi Campbell trug einen Mantel mit Wolfskopf, Shalom Harlow ein Kleid mit dem Haupt eines Schneeleoparden. „Inferno Couture“ nennt es Roseberry, der sich für seine Kollektion von Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ inspirieren ließ. Hoch zum Berg der Tugend will der Dichter, doch drei Raubtiere – die drei Hauptsünden Stolz, Geiz und Lust verkörpernd – versperren ihm den Weg zur Erlösung.
Roseberrys Tierkreationen waren nur aus Schaumstoff, Wolle und Seide gefertigt. Aber in den sozialen Medien hagelte es Kritik: Es handele sich um gefährdete Tiere, Schiaparelli animiere mit der Kollektion zu Wilderei; und überhaupt seien die Kleider „geschmacklos“, „gruselig“, „falsch“. Einige zweifelten auch am Geisteszustand von Roseberry, der seit 2019 für Schiaparelli als Chefdesigner arbeitet.
Eine Hommage an Women of Colour
Dabei fand ausgerechnet Ingrid Newkirk, die Präsidentin der Tierschutzorganisation Peta, unterstützende Worte: „Die Looks von Kylie, Naomi und Irina zelebrieren die Schönheit wilder Tiere und könnten ein Statement gegen die Trophäenjagd sein. Wir ermutigen alle, sich zu 100 Prozent an Designs zu halten, die den menschlichen Einfallsreichtum zeigen und Tierleid verhindern.“ An der Entrüstung änderte die Stellungnahme nichts. Da rückte sogar in den Hintergrund, dass Sängerin und Schauengast Doja Cat fünf Stunden lang in der Maske saß, um sich von Make-up-Künstlerin Pat McGrath mit 30.000 karminroten Swarovski-Steinen besetzen zu lassen.
Ohne Skandale kommen die großen Marken der Couture aus: Dior, Chanel, Armani. Maria Grazia Chiuri ließ sich für ihre Dior-Kollektion von Sängerin und Tänzerin Josephine Baker inspirieren: Mit Fransenkleidern, langen Abendmänteln, Federdetails und Entwürfen aus schimmerndem Samt und Metallic-Stoffen. Weg von engen Bustiers und hin zu geradlinigen Schnitten zelebrierte die Designerin im großen Modezelt am Musée Rodin die Années Folles, Bakers Glanzzeit. Die aus Missouri stammende Kabarettsängerin gehöre ins Zentrum der Geschichte von Dior, sagte Chiuri über ihre Hommage. Baker war zu Lebzeiten eine kaufkräftige Kundin und besuchte 1959 die Couture-Schau von Yves Saint Laurent für Dior. 2019 wurde die 1975 gestorbene Menschenrechtsaktivistin, die einen großen Teil ihres Lebens in Frankreich verbrachte und Mitglied der Résistance war, als erste Schwarze im Pantheon in Paris aufgenommen. In Zusammenarbeit mit der afroamerikanischen Künstlerin Mickalene Thomas setzte Chiuri auch anderen schwarzen Frauen ein Denkmal. Thomas porträtierte dazu 13 Women of Colour in Übergröße, unter ihnen Eartha Kitt, Nina Simone und Naomi Sims. Die Chanakya School of Craft in Mumbai bestickte die Bildnisse aus Stoff mit Pailletten.