TIMEOUT
Von KIKI KAUSCH (Fotos und Texte)28. Juli 2020 · Deutschland, heruntergefahren. So viel Zeit, die verloren geht. Oder doch nicht? Kiki Kausch hat Schauspieler und Produzenten, Sänger und DJs, Maler und Kunstsammler, Clubbesitzer und Sterneköche zu Hause in Berlin besucht. Von ihrer Leiter aus, also mit Abstand, nahm sie die zum Stillstand verurteilten Kreativen auf. Mit ihren Bildern kommt sie ihnen nahe.
Christian Berkel
Er hält sich an Rum. Das Originalfass aus „Inglourious Basterds“ im selbst entworfenen Heimkino. Schaut noch DVDs.
Marcel Dettmann
Als Berghain-DJ steht er ganz hinten auf der Liste derer, die wieder an ihren Arbeitsplatz dürfen. Im Lockdown im Prenzlauer Berg hat er für seine beiden kleinen Kinder aufgelegt. Und dabei entdeckt: Sie lieben Kraftwerk! Er fragt sich: Wie soll das Berghain Berghain bleiben, anarchisch, wild, körpernah, wenn es mal wieder öffnen darf?
Alina
„Die deutsche Adele“ singt so wie die englische Adele, ist aber Alina und wohnt in einer WG in Friedrichshain. Eines der Bücher auf dem Fenstersims heißt „Mutig“. Und so stieg sie für dieses Foto mit Negligé und Tiger-Sandalen ins Wasser.
Jonathan Meese
Er fliegt eigentlich nie. Im Lockdown hat er aber ein wenig die Orientierung verloren. Und so neue Bilder gemalt. Seine größte Sorge gilt seiner 90 Jahre alten Mutter, die bei ihm lebt.
Marco Müller
Er hatte gerade seinen dritten Michelin-Stern bekommen – als erster Koch in Berlin. Dann musste das „Rutz“ in der Chausseestraße schließen. Aber: Sterne verpflichten. Das Entrecôte auf dem Gartengrill ist vom massierten Rind aus der Region und kostet 280 Euro das Kilogramm.
Marvin Dogue
24 Jahre alt, Weltmeister im Staffelwettbewerb im Modernen Fünfkampf 2015, Student an der Uni Potsdam. Sein großes Ziel Olympia kann er in diesem Jahr nicht mehr erreichen, auch wenn es eigentlich fest eingeplant war. Der Termin steht immer noch unter August im Kalender.
Alice Dwyer
Verrucht und verraucht in Seide. Man könnte jetzt mal Seneca lesen: „Über die Muße“. Oder die Kreuzberger Wohnung streichen. Aber man kann sich’s auch erst mal überlegen.
Andrea Sawatzki
Sie wäre für einen Film nach Irland gereist, wo sie noch nie war, und wo sie womöglich Matt Damon begegnet wäre. Da hilft nur noch Gin Tonic. Im heimischen Gartendschungel im Berliner Süden.
Kida Ramadan
1 Apartment statt 4 Blocks. Ansonsten alles wie im Film und wie in Kreuzberg. Wann er denn Zeit habe, hatte ich den Schauspieler am Telefon gefragt. Er antwortete: „Was ist das denn für eine Frage?“ Und nach dem Shooting: „Wenn es nichts geworden ist, kannst du wiederkommen. Ich bin ja hier.“
Nico Hofmann
Chef der Ufa. Musste fast alle Dreharbeiten abbrechen. Er hat keinen einzigen Mitarbeiter entlassen. War der Lockdown richtig? Er weiß es nicht. Und fühlt sich so, wie er da sitzt: Mit der Klangschale zwischen den Stühlen am Wannsee.
Katja Riemann
Im Widerstand gegen Stilverlust. Sie ärgert sich über selbsternannte Corona-Controller und Denunziantentum.
Trystan Pütter
Rebel rebel! Er hätte eigentlich in der Tanzschule am Ku’damm für die Fortsetzung der ZDF-Erfolgsserie weiter rebellieren müssen.
Timo Miettinen
Eigentlich Finne, aber inzwischen Charlottenburger. Besitzt eine Kunstsammlung mit 1000 Werken und ist eigentlich Gastgeber begehrter Berliner Salons. In seiner Nachbarschaft: die legendäre „Hildegard Bar" – vorübergehend geschlossen.
Chaim Machlev
Der Israeli ist einer der angesagtesten Tattoo-Künstler der Welt. Auf einen Termin in seinem Studio nahe der Admiralsbrücke wartet man drei Jahre. Jetzt wartet er.
Quelle: F.A.Z. Magazin
Veröffentlicht: 28.07.2020 17:30 Uhr
