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Madonnas ESC-Auftritt : Unlike A Prayer

Queen of Pop: Madonna bei ihrem Auftritt beim Eurovision Song Contest 2019 Bild: Reuters

Mit Augenklappe und schrecklich schiefen Töne hat Madonna das ESC-Publikum verstört. Muss sich ein Weltstar so einen Auftritt noch antun?

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          Sie ist die Queen of Pop, und die Eurovision-Song-Contest-Veranstalter gewannen Madonna nicht einfach so für das Event am Samstagabend. Bis zum letzten Tag musste man sich offenbar um die Sängerin bemühen, die mit dem Privatjet einflog, ohne vorher einen Vertrag abgeschlossen zu haben, und die am Ende angeblich 1,3 Millionen für ihren acht Minuten lang währenden Auftritt bekommen haben soll.

          Johanna Dürrholz
          Redakteurin im Ressort „Deutschland und die Welt“.

          Und was war das für ein Auftritt! Es ging gut los, das muss man Madonnas Team lassen, mit Kirchenglocken und einem gespenstisch klingenden Chor wurde das Publikum schon darauf vorbereitet, was da wohl kommen möge, Like A Prayer natürlich. Dazu teuflisch-rotes Licht, der Chor und Madonna in Mönchskutten. Doch von der gottesdienstlichen Inszenierung gerade in die höchsten Höhen gehoben, stürzte man schon im nächsten Moment wieder ab, mitten hinein in die so unangenehm beschallte Realität.

          Schiefe Töne holten die Zuschauer aus sakralen Sphären zurück in die schnöde Wirklichkeit eines mäßigen Eurovision Song Contests. Schiefe Töne aus dem Mund einer Madonna! Nun ist die Popsängerin nie die allergrößte Vokalistin gewesen, war nie für ihr herausragendes Stimmvolumen, eher für ihr popkulturelles Gespür, ihre Nähe zum Zeitgeist bekannt. Doch für 1,3 Millionen Euro sollte man auch die Songs üben, die einem selbst vermutlich längst zum Halse raushängen. Zumal das Milliardenpublikum des ESC ihr nicht nur wohlgesinnt war, sondern ihr die Möglichkeit bot, so viele Menschen zu erreichen, wie eine alternde Pop-Diva sie sonst nicht mehr einfach so begeistert.

          Und dabei geht es hier gar nicht ums Alter. Da kann Barbara Schöneberger noch so viele doofe Anspielungen auf Madonnas Alter und ihre seltsame Augenklappe machen. Natürlich ist Madonna keine 20 mehr, und es ist schön, dass es für sie eine Bühne gibt, noch dazu eine  so große. Nur muss sie, alter Showhase hin oder her, sich auf solche Auftritte eben auch vorbereiten, vielleicht besser denn je. Und das hat die Diva offensichtlich verkannt. Auch die Choreographie war zwar sorgfältig und pompös inszeniert, doch die einäugige Sängerin stakste verloren zwischen ihren Mönchen herum, als würde sie mit ihrem einen Auge etwas suchen, vielleicht eine Kontaktlinse, vielleicht ihre Stimme? Die Mönche wurden abgelöst von Tänzern mit Gasmasken, was sich im Austragungsland Israel unpassend ausnahm. War das eine politische Botschaft? Und wenn ja: Welche?

          Ihr neuer Song „Future“, der wie eine drittklassig produzierte Reggae-Nummer daherkam, die in Thermalbädern im Hintergrund laufen könnte, machte es nicht besser. Besonders schlimm war auch der Smalltalk, den sie vor ihrem Auftritt mit den Moderatoren führen musste: Man merkte ihr an, dass sie sich wünschte, nie in dieses verdammte Flugzeug nach Tel Aviv gestiegen zu sein. Mit einem Moderator, der offen schwul und verheiratet ist, darüber zu scherzen, von ihm einen Antrag zu bekommen, ist eben einfach dämlich. Vor allem, wenn der dann noch seinen Ehemann erwähnt.

          Die Reaktionen auf den desaströsen Auftritt ließen nicht lange auf sich warten. Null Punkte gaben die enttäuschten Zuschauer ihr für das unprofessionelle Spektakel. Selbst in der Halle, in der die spirituelle Szenerie ihre Wirkung bestimmt nicht verfehlte, war es unangenehm ruhig, kaum Rufe oder Applaus, die Zuschauer zu Salzsäulen erstarrt ob dieser unchristlichen Performance.

          Das alles bedeutet nicht das Ende einer so großartigen Karriere. Aber schon schön blöd, es sich vor einem solchen Publikum überall auf der Welt zu versauen. Auch der politische Gegenwind, der Madonna schon vor dem Auftritt entgegenschlug und der womöglich zum langen Zögern der Queen of Pop beigetragen hatte, erschwerte wohl den Auftritt in Israel. Fans hatten kritisiert, dass Madonna sich durch ihren Auftritt in Tel Aviv im Nahost-Konflikt positioniere. Sie selbst quittierte im launigen Gespräch mit den Moderatoren sämtliches Gerede mit ihrer unnachahmlichen Diva-Attitüde. Doch so abgebrüht wird auch eine Madonna nicht sein, dass sie die berechtigte Kritik an ihrem Auftritt nicht wahrnimmt. Man kann nur hoffen, dass sie beim nächsten Mal auf das setzt, worauf viele Profis setzen: Vorbereitung.

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