Trendfarbe : Ist Rosa jetzt das neue Rot?
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Rote Nägel? Das war gestern. Bild: Picture-Alliance
Pink ist keine neutrale Farbe. Sie ist kompliziert. Und unfair. Und wieder da. Wie kann das sein? Für die Schönheitsbranche ist das eine gute Nachricht. Denn sie hantiert mit weniger Farben als die Mode.
An diesem Filmbeginn stimmt aus heutiger Perspektive nicht viel. Die blonden Haare, die minutenlang in die Kamera geworfen werden, als würden sie die Handlung bestimmen. Die mit French-Maniküre behandelten Fingernägel, die irgendwann ins Bild rücken. Das Bild der Frauen, die, gewickelt in Handtücher, gemessen an dem Dampf im Badezimmer, dort recht viel Zeit damit verbracht haben sollen, sich schön zu machen. Dagegen das Bild der Männer, die draußen spielen – wirklich spielen, mit nacktem Oberkörper im Vorgarten.
Es geht hier um „Natürlich blond“ aus dem Jahr 2001, was ganz schön lange her ist. Der Zuschauer wird nach diesem genderstereotypen Intro jedenfalls in Elle Woods' Palast eines Studentenzimmers geführt. Sie trägt in dem Film, der davon handelt, dass eine Frau zur Überraschung ihrer Umwelt Jura studiert, Anwältin wird und dafür verantwortlich ist, dass eine andere Frau wegen Mordes verknackt wird, konsequent pinkfarbenen Lippenstift. Zumindest in dieser Hinsicht ist dieser Film noch immer und wieder auf der Höhe der Zeit.
Frauen, also keine Mädchen, sondern Frauen, die ihr eigenes Geld verdienen, ihre Partner auf deren Schwächen hinweisen und bei der Hochzeit nicht den Namen ihres Mannes annehmen - Frauen also, die Pink vor einer Weile noch verachtet haben –, tragen das jetzt wieder so. Sie streichen sich ihre Wände Rosa; zum Beispiel ist das Middleton Pink von Farrow & Ball in dieser Hinsicht wichtig, und das neue Sulking Room Pink der Wandfarbenmarke könnte es bald werden. Sie tragen im Winter rosafarbene Schals, oft ist es der Canada von Acne, und große Ohrringe in Rosa, die anders als die Wandfarbe und das Winterzeug nicht teuer gewesen sein müssen.
„Weich und grell zugleich“
Für die Schönheitsbranche ist das eine gute Nachricht. Denn sie hantiert mit weniger Farben als die Mode. Grün, Gelb und Dunkelblau haben nur sehr bedingt Bedeutung. „Weich und grell zugleich“, nennt Nicolas Degennes, der künstlerische Direktor von Givenchy, diese Farbe, für die schon die deutsche Sprache zwei Namen vorsieht, Pink und Rosa, und die das menschliche Auge in allen möglichen Schattierungen wahrnimmt. "Wir können nur ein paar verschiedene Töne Rot sehen", sagt der Kosmetik-Experte. "Bei Grau, Blau und Grün ist das anders, und so verhält es sich auch mit Pink." Degennes rät, sich mal das blasseste Pink vorzustellen, das einem einfällt. Und das Extremste. Im Vergleich dazu kommt man bei Rot kaum so weit in Richtung hell und dunkel, Richtung weich und grell zugleich.
Pink also wird wichtiger. Bei Net-a-porter sei der Anteil an Beautyprodukten in Pink im vergangenen Jahr um 25 Prozent gestiegen, sagt Newby Hands, die für das Unternehmen den Bereich Schönheit leitet. Unter den Bestsellern finden sich Charlotte Tilburys Lippenstift in Pillow Talk und Tom Fords Lippenstift Carine. „Rouge in Pink verkauft sich immer besser, um 20 Prozent mehr als im vergangenen Jahr“, sagt Newby Hands. Auch die Beauty-Expertin nimmt Pink jetzt moderner wahr. „Wenn ich mich in meinem Badezimmer umschaue, sehen alle Produkte in Schwarz und Weiß dagegen industriell aus.“Und: „Es ist doch nichts falsch daran, wenn es in der Kosmetik auch einfach mal hübsch zugeht.“
Denn klar, Pink ist hübsch. Und hässlich zugleich. Im New Yorker Fashion Institute of Technology läuft gerade eine Ausstellung, die sich mit dem Paradox dieser Farbe auseinandersetzt, „Pink: The History of a Punk, Pretty, Powerful Colour“, so der Titel der Ausstellung, in der Exponate aus dem 18. Jahrhundert bis zum Gucci von heute unter Alessandro Michele zu sehen sind, beschreibt es ganz gut. Dafür hätte es noch nicht mal die Alliteration gebraucht.
Dieses Pink ist jetzt wieder so präsent, dass man sich tatsächlich fragen kann, ob es das neue Rot der Schönheitsindustrie ist. Oder das Beige der Mode? Pink wird getragen wie eine neutrale Farbe, dabei ist es das Gegenteil davon. Es ist die wahrscheinlich komplizierteste aller Farben, und insofern wäre es einerseits gut, sie würde verschwinden. Pink ist eine unfaire Farbe, in den Vereinigten Staaten spricht man nicht umsonst von pink tax, einer Art Weiblichkeits-Steuer auf Schönheitsprodukte, die für Frauen teurer sind als vergleichbare für Männer. Pink rückt Frauen in eine mädchenhafte Ecke, ins Badezimmer und in die Puppenstube statt auf den Fußballplatz. Pink manifestiert Rollenmuster.