„Made in Asia“ geht auch anders
Von JENNIFER WIEBKING07.07.2017 · Sieben deutsche Designerinnen waren bei Handwerkern und Näherinnen in Südostasien zu Besuch. Ihr Fototagebuch gibt Einblicke in ihre Erfahrungen.
E igentlich könnte es eine Win-win-Situation sein. Der Traum junger Menschen vom Modedesign wird nicht kleiner, obwohl die großen Discounter immer mehr Kunden erreichen und es den deutschen Modefirmen nicht gerade gutgeht. Trotzdem entscheiden sich noch immer viele für die Selbständigkeit mit einem eigenen Label. Zugleich haben sie kaum Möglichkeiten, ihre Entwürfe in kleinen Serien von, sagen wir, 15 oder 25 Stück fertigen zu lassen. Aber wer braucht 300 Mal das gleiche Seidenkleid, wenn er sich erst mal einen Namen machen muss und noch praktisch keine Stammkunden hat, die es mit hoher Wahrscheinlichkeit kaufen und tragen werden?
Auf der anderen Seite der Welt wiederum sitzen etliche familiengeführte Handwerksbetriebe mit großem Potential, aber wenigen Mitarbeitern, die mit mehr als 25 Mal dem einen Kleid überfordert wären, sich mit solchen Aufträgen aber durchaus eine Existenz sichern könnten. Die soziale Nachhaltigkeit steht dabei im Vordergund, ohne Einkommen müssten sie ihre Dörfer verlassen und in den Städten Arbeit suchen.
Lisa Jaspers führt in Berlin das Geschäft Folkdays, mit Mode und Accessoires aus solchen kleinen Betrieben, die unter ihrer kreativen Leitung trotzdem Stücke mit westlichem Anspruch produzieren, Isabelle Dechamps führt mit der Initiative „be able“ Menschen mit Behinderungen an Design heran. Jaspers und Dechamps wissen seit langem um die Vorteile dieser Win-win-Situation. Und um die Hürden, beide Seiten zusammenzubringen.
Im vergangenen Jahr kam das Goethe-Institut auf die Expertinnen für fairen Handel zu, mit der Idee von „Textilresidenzen“. Sieben ausgewählte deutsche Designer sollten ein paar Wochen in den Betrieben in Indonesien, Malaysia, Thailand und auf den Philippinen hospitieren, so dass sich beide Seiten näherkommen können. Für uns haben die Designer ein Fototagebuch geführt. „Das Ziel war es, nicht nur einen kulturellen Austausch zu organisieren“, sagt Jaspers, „sondern während der Zeit in den Textilresidenzen auf Produkte zu kommen, die von der Qualität stimmen, verkaufbar und exportfähig sind. Es sollte mehr sein, als dass sich alle über diesen Zeitraum lieb- und voll viel Spaß miteinander haben, sondern dass sie auch einen ökonomischen Mehrwert schaffen.“
Vorab trafen sich deshalb beide Seiten in diesem Frühjahr zu drei Tagen Workshop in Jakarta. Die erste Überraschung: „Wie gut die Leute miteinander gearbeitet haben, obwohl sie ganz verschiedene kulturelle Hintergründe haben“, sagt Dechamps. „Nach einem Tag waren wir eine Gruppe, obwohl wir Brücken schlagen mussten im Hinblick auf verschiedene Kenntnisstände von Materialverarbeitung und Design.“
Die zweite Überraschung, jedenfalls für einige der Designer: die anschließende Reise zu den Betrieben. „Eine Designerin, Stefanie Rittler, war zehn Stunden lang im Auto unterwegs, dann zehn Stunden im Boot, bis sie irgendwann auf Borneo angekommen war.“ Entstanden sind während der Textilresidenzen zum Beispiel lange Gewandkleider mit folkloristischer Anmutung, wie sie seit diesem Sommer wieder angesagt sind, sowie Clutches und Rucksäcke aus Rattan.
Klar: Wer weiß, was davon wirklich bis zur Aufmerksamkeit von Kunden vordringt, die nicht gerade in Berlin-Kreuzberg wohnen; und wer, statt seine Bast-Tasche für den Sommer einfach bei Zara zu kaufen, macht sich schon die Mühe, den jungen Designer mit den Stücken aus Ananasfaser aufzuspüren? Andererseits: Obwohl sich das Konsumverhalten noch nicht großartig geändert hat, steigt zumindest seit den Katastrophen in den Textil-Produktionsstätten das Bewusstsein für miserable Arbeitsbedingungen und viel zu niedrige Löhne. „Es war uns wichtig, dass das Design, das in der Zeit erarbeitet wurde, in jedem Fall den Kunsthandwerkern gehört, sie es also auch an andere weiterverkaufen können und nicht nur an unsere Designer gebunden sind“, sagt Lisa Jaspers. Die ersten der sieben Designer produzieren jetzt aber trotzdem ihre Kollektionen für den nächsten Sommer in Südostasien.
Quelle: F.A.Z.
Veröffentlicht: 07.07.2017 10:25 Uhr
