Plagiatsvorwürfe bei Modemarke : Zaras Copy-Jobs
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Auf seiner Webseite stellt Designer Kurtz vermeintliche Plagiate und Originalentwürfe freischaffender Designer gegenüber. Bild: shoparttheft
Die Modemarke Zara soll kreative Arbeiten von Illustratoren kopiert haben. Eine amerikanische Designerin will mit ihren Ideen nicht länger als kostenlose Blaupause dienen – und hat die Öffentlichkeit mobilisiert.
"Ich kaufe nie wieder bei Zara!“, „Schämt Euch!!!“, „Ihr seid ein fürchterliches Unternehmen!“: Der spanische Modekonzern Inditex, zu dem unter anderem die Filialisten Zara, Bershka und Massimo Dutti gehören, muss sich in sozialen Netzwerken aktuell viele böse Kommentare gefallen lassen. Auslöser der Empörung war unter anderem ein Lutscher - gezeichnet von der amerikanischen Illustratorin Tuesday Bassen aus Los Angeles. Jener Lutscher hing kürzlich, eins zu eins kopiert, als Patch auf einem Oberteil in den rund 2000 Filialen von Zara – ohne dass man die freischaffende Künstlerin gefragt oder dafür bezahlt hätte, sagt sie. Nun sollte man meinen, ein Lolli sei auch für den gestresstesten Designer eine machbare Herausforderung. Bei Zara war jedoch offensichtlich jemand bequem: Vorlage und vermeintliche Kopie ähneln sich bis auf den letzten Strich.
Als Bassen sich in Spanien über die Kopie beschwerte, antwortete der Modekonzern ihren Angaben zu folge, dass ein großer Teil der Bevölkerung ohnehin nicht erkennen würde, dass es sich um ihren Entwurf handle, Zara habe die deutlich größere Reichweite. Offenbar sah man den Fall damit als erledigt an.
Mittlerweile dürfte Inditex diese Worte bereuen, denn die Illustratorin, die unter anderem Nike, Adidas, Playboy und The New Yorker zu ihren Kunden zählt, hat die Antwort über die sozialen Netzwerken öffentlich gemacht - und damit einen Shitstorm vor allem gegen Zara ausgelöst. Von Holland bis Japan haben Medien über sie berichtet, alleine auf ihrem Instagram-Konto sind über 80.000 neue Fans dazu gekommen. Und auch als Opfer ist Bassen nicht mehr alleine: Auf ihren ersten Zara-Post, der fast 50.000 Likes und über 6000 Kommentare hervorrief, haben sich 24 weitere freischaffende Kreative gemeldet, deren Ideen ebenfalls als Blaupause für Anstecknadeln und Patches der Inditex-Labels gedient haben sollen.
Plagiats-Vorwürfe erhebt unter anderem Bassens Landsmann Adam Kurtz aus Brooklyn. Der 27 Jahre alte Illustrator, der unter anderem schon für Pepsi, Adobe und Urban Outfitters arbeitete, hat im Zuge des großen öffentlichen Interesses der vergangenen Tage eine Website gebaut, die das Ausmaß des Ideenklaus visualisieren soll: Sie zeigt diverse Fotos von Original und Kopie. „Mein Ziel ist es, Zara Druck zu machen, die verwendete Kunst mehr zu kontrollieren“, sagt er auf Anfrage von FAZ.NET. „Egal ob intern entworfen oder extern gekauft.“ Zara sei ein großer Konzern, Fehler könnten passieren. Aber in diesen Fällen handle es sich schlicht um Faulheit. „Das im Vorfeld online zu checken, wäre sicherlich billiger gewesen als dieses PR-Chaos.“
Im offiziellen Statement zum Fall Bassen heißt es vom Inditex-Konzern, dessen Umsatz sich im Geschäftsjahr 2015/16 auf 20,9 Milliarden Euro belief, man sei mit ihrem Anwalt im Kontakt, die betreffenden Kleidungsstücke seien aus dem Verkauf genommen worden. „Inditex respektiert jedes kreative Talent in höchstem Maße und nimmt alle Ansprüche Dritter in Bezug auf ihr geistiges Eigentum sehr ernst“, so eine Sprecherin. Die aktuellen Vorwürfe würden derzeit Fall für Fall geprüft. Weitere Fragen wollte Inditex zum aktuellen Zeitpunkt nicht beantwortet.
Sicher ist: Zaras Anwälte beschäftigen sich nicht das erste Mal mit solchen Vorfällen. Unter anderem gab es 2011 Ärger mit diversen Bloggern, deren Fotos angeblich ohne ihre Erlaubnis verwendet wurden. Sicher ist auch: Zara ist kein Einzelfall. Gerade dieses Frühjahr hat Isabel Marant gegen Mango geklagt – der spanische Filialist hatte einen Schuh der Designerin kopiert. In der Modebranche ist kopieren Alltag, nicht Praktikanten-Aufgabe - gerade im sogenannten Fast Fashion-Markt, wo die Designer wöchentlich Dutzende von Ideen liefern müssen. Die Inspirationsreise nach London oder New York heißt für die meisten Designteams nichts anderes als Blaupausen shoppen. Abguckt wird vor allem bei großen Design-Häusern: Prada, Céline, Chloé. Das geht nicht nur schneller, weil es kaum Kreativität verlangt: Was die großen Marken propagieren, wird in Modemagazinen gezeigt, von Prominenten getragen - die Verbreitung ist garantiert. Je mehr es gesehen wird, desto besser verkauft es sich. Das ist kein neues Rezept: Bereits in den 20er Jahren musste Coco Chanel mit ansehen, wie ihre Ideen von Kaufhäusern kopiert und kommerzialisiert wurden. Im vergangenen Winter stand die Pariser Luxusmarke dann selbst in den Schlagzeilen: Das Kreativteam hatte ein Fair Isle-Strickdesign von einer schottischen Designerin kopiert – und sich, nach einem Shitstorm im Netz, öffentlich dafür entschuldigt.
Die meisten großen Marken nehmen Kopien heute meist hin. Manche sehen es heute sogar positiv: „Ich bin froh, dass Balmain kopiert wird!“, sagte Olivier Rousteing, Kreativ-Chef von Balmain, in einem Interview mit dem Independent. „Ich liebe es zu sehen, wie Zara im Schaufenster meine Kleider mit Céline und Proenza mixt. Sie machen das genial.“
Nun trennen Rousteing und Tuesday Bassen sicher mehr als eine Millionen Dollar Jahreseinkommen - und auch ihre Ansichten könnten weiter auseinander nicht liegen. Denn kleine selbständige Designer haben oft keine Chance gegen die großen Konzerne. Die Illustratorin Bassen aber will, mit der Öffentlichkeit im Rücken, kämpfen. Am Kopiersystem Fast Fashion wird das wenig ändern. Und schon Coco Chanel sagte: „Wenn Du ein Original sein willst, mach Dich darauf gefasst, kopiert zu werden.“ Dem Original Tuesday Bassen hat der Streit immerhin weltweite Aufmerksamkeit gebracht.