New York Fashion Week : Stretching auf dem Laufsteg
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Rettet den Ruf der New Yorker Sportlichkeit: Alexander Wang Bild: AP
Zum Auftakt zeigt sich die Modewoche in Manhattan von ihrer sportlichen Seite. Der Weg vom Laufsteg zur Straße ist kurz. Aber tragbare Zwanglosigkeit lässt keine modische Revolution erwarten.
New York ist die Stadt der Sportverrückten. Vor der Arbeit geht es morgens ins Fitnessstudio. Am Saftstand wählt man zwischen vier Proteinsorten für den Obst-Smoothie. Und die meisten U-Bahn-Stationen haben keinen Lift. Da ist es kein Wunder, wenn bei der gerade angelaufenen „Mercedes-Benz Fashion Week“ in der dynamischen Weltstadt Sportbekleidung über den Laufsteg läuft – auch wenn die Fachleute der Modebranche dafür meist nur ein müdes Lächeln übrig haben.
Das Debüt des Sportswear-Labels Athleta, das in diesem Jahr erstmals auf dem offiziellen Plan steht und gleich zu Beginn zur Schau geladen hat, ist dann aber doch eine gelungene Überraschung: Bei der Präsentation springen und stretchen die Models auf einer zweistöckigen Bühne herum, schwingen Gymnastikbälle und machen Yoga-Übungen. O-Ton der Redakteurinnen, die sonst bei Alexander Wang und Michael Kors in der ersten Reihe sitzen: „Warum können nicht alle Schauen so sein?“
Mit seinem Auftritt auf der Modewoche in Manhattan möchte sich Athleta als Label für Mode und Funktionsbekleidung gleichermaßen etablieren. In einer Stadt, in der die Spinning-Session vor Sonnenaufgang zum korrekten Lebensstil gehört wie der vegane Grünkohl-Salat zum Abendessen, klingt das nach einem vielversprechenden Konzept. Selbst in Zeiten omnipräsenter Sportlichkeit in der Mode, zuletzt in Amerika unter dem Begriff „Normcore“ zusammengefasst, bleibt allerdings fraglich, ob atmungsaktive Laufhosen wirklich den modischen Durchbruch schaffen werden. Für den wahren Adrenalin-Kick muss man dann wohl auf die Kollektionen der „wahren“ Modeschöpfer warten, die vor allem in der zweiten Hälfte der ziemlich langen Woche auf dem Schauenplan stehen.
Bewegliche Zwanglosigkeit
Auch auf den Laufstegen, auf denen noch stolziert statt gestretcht wird, bleibt die bewegliche Zwanglosigkeit ein großes Thema. New York ist eben nicht die Stadt der hohen Schneiderkunst. Wer hier mit seiner Marke im Gespräch bleiben will, muss das Business im Fokus behalten. Jason Wu, seit 2013 auch Kreativchef bei Hugo Boss, zeigt am Freitagnachmittag in den Spring Studios in Tribeca eine Kollektion von souverän weiblicher Simplizität. Mit taillierten Sommermänteln aus khakifarbenem Veloursleder, transparenten Shift-Kleidern und der für den Designer mittlerweile typischen Kombination aus tief ausgeschnittenem Safarihemd und geschlitztem Bleistiftrock bezieht sich Wu auf klassische „American Sportswear“ – und bleibt damit auf der sicheren Seite. Eine stilistische Revolution wäre jetzt wohl auch nicht ratsam: Gerade hat der Modemacher Anteile seiner Marke an den Investor InterLuxe verkauft. Auch ein erster Laden ist in Planung.
Auch Peter Som, der seine Entwürfe für Frühjahr und Sommer 2015 am Freitag präsentiert, dürfte den Sprung vom Laufsteg auf die Straße leicht bewältigen: Luftige weite Seidenhosen werden zu überlangen Bustiertops in Moosgrün getragen, weiße Hemdblusenkleider sind rückwärtig mit flatternden Cape-Besätzen versehen, darunter leuchten Badeanzüge mit korallfarbenem Blumendruck. Der Trend geht weiter zum flachen Schuh: Zum Wohle der weiblichen Fußgelenke hat der Designer silbermetallisch schimmernde Sandalen mit robustem Fußbett entworfen.
Pharrell Williams will die Weltmeere retten
Eine modische Weiterentwicklung der bequemen Badelatsche gibt es auch bei der ur-amerikanischen Luxusledermarke Coach zu sehen. 1941 in New York City gegründet und zwischenzeitlich eingestaubt, arbeitet sich das Label nun unter dem britischen Designer Stuart Vevers wieder in modische Kreise vor. Die weißen und cremefarbenen Leder-Slipper mit breitem Plateau-Absatz, in denen die Models bei der Präsentation vor der inszenierten Kulisse kalifornischer Wüstenlandschaften auflaufen, sind ganz auf der Höhe der Zeit. Für die fluffigen Felljacken in Pastellgrün und Rosa, die Vevers zu kurzen Lederröcken und Wollpullovern mit Comicfiguren-Print kombiniert, muss der nächste Sommer allerdings kühler ausfallen. Selbst Anfang September liegen die Temperaturen in New York noch bei feuchten 30 Grad, und den Street-Style-Fotografen, die vor den Milk Studios und beim Lincoln Center auf die Papageien unter den Schauengästen warten, läuft der Schweiß in die Augen.
Zur Auffrischung hat der niederländische Jeans-Hersteller G-Star in die einstige Immobilie von J.P. Morgan an der Wall Street zur „Ocean Night“ geladen. Hier sitzt das Geld, hier ist die Luft angenehm klimatisiert – und hier ist es so finster, dass man kaum einen Schritt vor den anderen setzen kann. Der Raum: eine Unterwasserwelt. Die Lichtverhältnisse: wie in 1000 Meter Tiefe im Ozean. Mit 3-D-Effekten werden Wassersprenkel an die Raumdecke projiziert, während die Models im blauen Scheinwerferlicht den Laufsteg betreten – angeführt von Pharrell Williams, der in Kooperation mit G-Star die Weltmeere retten will. Entsprechend sind die gegürteten Jeansjacken und bedruckten Blaumänner der Linie „RAW for the Oceans“, bei der der Musiker angeblich als Co-Designer agiert, aus recyceltem Plastikmüll aus dem Ozean gefertigt.
Ob der Marketing-Faktor zum Modetrend taugt? Der Fitness-Wahn scheint sich auf den Straßen von New York jedenfalls weitaus größerer Beliebtheit zu erfreuen als der Umweltschutz. Das beweist zum Ende des dritten Schauentages auch Alexander Wang: seine Kollektion steht ganz im Zeichen des Turnschuhs. High Heels aus gestricktem Netzstoff als humorvolle Interpretation des allgegenwärtigen „Nike Free“ Sneakers, messerscharf geschnittene Minikleider in Orange und Knallgrün, hochgeschlossene Kurzoberteile zu Smoking-Hosen, schwingende Röcke mit seitlichen Lederapplikationen in Signalrot und ein raffiniertes weißes Tenniskleid, das dem Schuh der Saison, „Stan Smith“ von Adidas, dank Schnürung am Ausschnitt und grünem Kragen überraschend ähnlich sieht. Damit wäre der Ruf der New Yorker Sportlichkeit dann doch mit Bravour gerettet – Wang sei dank.