Für den jetzt vakanten Posten des Chefdesigners bei Bottega Veneta hätte auch eine Designerin in Frage kommen können. Seit am Mittwochabend bekannt geworden war, das Tomas Maier nach 17 Jahren das Mailänder Haus verlässt, wurde Phoebe Philo als heiße Kandidatin gehandelt. Mit ihrer Arbeit bei Céline hat sie im vergangenen Jahrzehnt die Mode so nachhaltig verändert wie niemand sonst.

Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Jetzt zieht tatsächlich jemand, der ehemals bei Céline tätig war, im Mailänder Haus ein. Nur ist es nicht Phoebe Philo. Stattdessen gab Bottega Veneta am Freitagmorgen bekannt, dass Daniel Lee übernehmen wird. Sogar Modeleute werden bei dieser Personalie erst mal passen müssen. Daniel wer? Selbst Google ist hier weitestgehend überfragt.
Dabei ist der Schritt durchaus lobenswert. Dass die Mode nämlich ein Nachwuchsproblem hat, dass die großen Häuser von ein paar großen, bekannten Namen kreativ verantwortet werden, die zwischen den Marken wechseln, ist schon lange ein Thema. Mit Daniel Lee rückt bei Bottega Veneta ein Designer aus der zweiten Reihe auf. Einer, der seit Jahren seine Fähigkeiten bewiesen hat, zuletzt eben bei Céline. Dort war der gerade einmal 32 Jahre alte Brite, der an der Londoner Modeschmiede Central Saint Martins ausgebildet wurde, sechs Jahre lang tätig, zuletzt als Leiter der Ready-to-Wear-Linie. Lee wird also etwas davon verstehen, wie man Begehrlichkeiten für Mode schafft, und damit sind nicht nur die Umsatzbringer Handtaschen und Schuhe gemeint, sondern auch Bekleidung.
Diskreter Luxus ist heute zu kompliziert
Daniel Lee selbst spricht in seiner ersten Mitteilung zum neuen Job von der „neuen Perspektive und Modernität“, mit der er an die Arbeit gehen wolle, ohne dabei die Vergangenheit der Marke auszulöschen. Die war unter Tomas Maier in den vergangenen 17 Jahren eindeutig vom diskreten Luxus geprägt, das Motto der Marke, „When your own initials are enough“, richtete sich an jene Frauen, die mit nicht ganz so viel Aufhebens für maximalen Eindruck sorgen wollten, mit schlauen Materialien, mit harmonischen Farben.
Das ist heute zu kompliziert. Die Mode ist lauter geworden, und gefälliger. In Zeiten, da der Kunde an kleinen Bildschirmen über die sozialen Medien Mode wahrnimmt und vom selben kleinen Bildschirm im Online-Shop ordert, zeigen Gucci, Saint Laurent, Balenciaga und Dior mit Themen-Kollektionen, extremen Mustern und dem ein oder anderen ästhetischen Skandal, wie unter diesen Bedingungen Wachstum zu generieren ist. Auch Céline ist nicht bei jenem Minimalismus geblieben, mit dem es in den ersten Jahren nach Phoebe Philos Übernahme angetreten war.
Trotzdem, damit, dass Daniel Lee von Céline kommt, ist es nicht getan. Schön zu sehen ist das am Beispiel Mulberry, das seit drei Jahren von Johnny Coca geleitet wird. Zuvor war auch er bei Céline tätig, als Verantwortlicher für Lederwaren und Accessoires. Eigentlich eine ideale Besetzung für die Taschen-Marke Mulberry. Dort sorgt er für stabile Zahlen und ordentliche Entwürfe. Eine Ikone von einer Tasche, die für das Lederwarenhaus stehen könnte, und als solche zu erkennen ist, ist bislang, in den vergangenen vier Jahren allerdings ausgeblieben.
Zum Beispiel eine, wie die Cabat-Bag aus Intrecciato-Leder, dem typischen Flechtmuster von Bottega Veneta. Damit begann Tomas Maier vor 16 Jahren. Noch immer ist sie ein Bestseller des Hauses. Wie es weitergeht, das liegt jetzt an Daniel Lee, einem Designer, den bis Freitagmorgen so gut wie niemand kannte.