Berliner Fashion Week : Außer Tresen nichts gewesen
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Sieht so Mode aus? Marina Hoersmanseder präsentiert ihre neue Kollektion auf der Berliner Modewoche. Bild: Helmut Fricke
Man muss die Berliner Fashion Week natürlich nicht kritisieren, man kann aber: Die Modewoche ist nicht in bester Verfassung. Ein paar Lichtblicke gibt es aber trotzdem.
Man muss eine solche Schau nicht kritisieren. Am Ende wird gejubelt, und Marina Hoermanseder ist die mitreißendste Designerin, die man sich denken kann. Aber man kann sie natürlich kritisieren. Wegen der langatmigen Dramaturgie. Wegen des motivischen Durcheinanders aus Fetisch-Referenzen, Western-Anspielungen, Achtziger-Jahre-Reminiszenzen. Und generell: wegen des knalligen Stils.
Als Betriebswirtin folgt Marina Hoermanseder dem Markt. Die Modemacherin Marina Hoermanseder müsste aber öfter „Halt“ rufen. Denn in ihrer Modenschau, einem der Höhepunkte der Berliner Modewoche, zeigt schon das Publikum, dass es von sexy bis vulgär nur ein kleiner Schnitt ist. Der Witz, der einst in den so steifen wie starken Lederkleidern steckte – er verliert sich in Witzigkeit. Korsagenkleider? Reichen nicht. Wir brauchen auch noch Westernstiefel und Cowboyhüte!
Der Designer als Autorität – das mag ein antiquiertes Berufsbild sein. Anything goes, das ist natürlich vor allem in Berlin das Motto. Aber kann man seinen Kundinnen alles durchgehen lassen? Sollte man sich gar influencen lassen durch Influencerinnen? Nein, denn dann gehen Autorität, Image und Zukunft der Marke zugrunde.
Nur als Beispiel: Man wundert sich, warum bei der Schau der Innsbrucker Modemacherin Rebekka Ruétz Models mit wallenden Extensions über den Laufsteg gehen. Na, weil es Influencerinnen sind! Lassen sich denn Designer heute alles bieten?
Den Schauenkalender der Berlin Fashion Week muss man sich etwa so vorstellen wie Berlin selbst: ausgedehnt, aber nicht dichtbesiedelt. Hien Le und Vladimir Karaleev sind nicht dabei, Perret Schaad hat aufgehört, Dorothee Schumacher bleibt fern, Michael Michalsky setzt wegen seines neuen Jobs bei Jet Set aus, und Hugo Boss tritt lieber im Februar groß in New York auf. Hoffentlich kommen sie im Juli wenigstens mit ihrer Linie Hugo wieder. Die Schau im vergangenen Sommer ist unvergessen: Vorhang auf, und Wiz Khalifa singt „Black and Yellow“ – so etwas braucht eine Modewoche für den Gefühlshaushalt. Dieses Mal wurden die Leerstellen mit Champagner gefüllt. Im Borchardt war seit Montag kein Platz zu haben, in vielen Schauen schon.
Das eine besondere Teil
Wo bleibt das Positive? Hier! Aus dem Vorwurf, bei der Fashion Week in Berlin gehe es nur ums Feiern, nicht um die Mode, entwickelt William Fan eine schöne Idee: Der Laufsteg ist die Theke der Karaoke-Bar „Knutschfleck“ am Alexanderplatz. Die Modeleute sitzen an der Bar und schauen zu den Models hinauf, die über den Tresen laufen. So bekommen die Glitzermäntel, die Röcke mit extremen Saumvolants, die Jacken, die so geschlitzt sind, dass sie aussehen wie Capes, die ganz große Bühne. Später wird man hier noch bis vier Uhr morgens feiern, aber um 21.30 Uhr geht es nur um Mode. Es ist einer der Höhepunkte der Woche, die aus vielen Messen, Preisverleihungen, Ladeneröffnungen, Showroom-Terminen und Schauen besteht.
Und aus den Gruppenausstellungen „Vogue Salon“ und „Berliner Salon“. Da trifft man Odélie Teboul wieder, deren Liebe zu Netzstoff ewig hält. Früher entwarf sie als eine Hälfte des düster-coolen Labels Augustin Teboul, aber auch das ist heute Geschichte. Nun macht sie allein weiter als Lou de Bètoly – das ist ein Anagramm ihres Namens, nur der accent aigu ist zum accent grave geworden. Schwer ist es deswegen nicht: Der Netzstoff ist geblieben, aber das Schwarz der frühen Jahre ist nun ein Patchwork aus Farben, Mustern, Stoffen und Applikationen von Plüschherzen bis Lederhandschuhen. Wer das alles zusammennäht? „Na, ich selbst“, sagt Odélie Teboul und bekennt sich fröhlich zu ihrem Nischenprodukt „tragbare Couture“.