Dia de los Muertos
Text und Fotos von YAVIDAN CASTILLO, Styling von EVELYN TYE24.01.2018 · Am Tag der Toten feiert Mexiko die Vergänglichkeit. Wir sind dabei – und huldigen auch der flüchtigen Mode.
B ei einem Kaffee in Paris entstand mitten im Leben die Idee mit dem Tod. Evelyn Tye und ich sind Mexikanerinnen, leben seit langem in Paris und arbeiten in der Mode, sie als Stylistin und Produzentin von Modestrecken in Magazinen, ich als Fotografin und Bloggerin. Schon immer hatten wir davon geträumt, mal nicht auf den Straßen von Paris zu arbeiten oder in einem anonymen Studio – sondern in unserer Heimat.
Da lag der Gedanke an den Día de los Muertos nahe, den Tag der Toten, der immer vom 31.Oktober bis zum 2. November begangen wird. Denn diese seltsamen Totengedenktage sind ein wichtiger Ausdruck dafür, wie Mexikaner mit dem Tod umgehen und wie sie das Leben nehmen. Ganz zu schweigen davon, dass man die Feiern auf den Straßen und Friedhöfen schon deshalb lieben muss, weil sie überbordende und fröhliche Spektakel sind, wie geschaffen für tolle Bilder.
Aber wie sollten wir das hinbekommen? Für Menschen und Gefühle und Dekoration war gesorgt. Wichtig für das F.A.Z.-Magazin, das wussten wir von früheren Aufträgen, ist das authentische Abbild von Lebenssituationen, nicht künstlich, nicht überdreht, nicht retuschiert, sondern alltagsnah, natürlich, direkt. Es geht auch um ein Frauenbild, das nicht im Dienst von Kommerz und Sexappeal steht, sondern für selbständige und selbstbewusste Weiblichkeit.
Aber die Feiern finden nachts auf Friedhöfen statt. Wie soll man da Fotos machen, die nicht unterbelichtet oder überblitzt sind? Schwieriger noch: Wie kann man Sicherheit gewährleisten für mehrere Frauen, die Kameraausrüstung und die aus Paris mitzubringenden Kleider? Mexiko ist schließlich berüchtigt für die Kriminalitätsrate – Entführungen, Raubüberfälle, Morde sind Alltag.
Wir wussten, dass es im Bundesstaat Oaxaca nicht so schlimm ist wie in anderen Landesteilen. Und war nicht genau das unser Ziel: Mexiko nicht als Land der Drogen und Tötungsdelikte erscheinen zu lassen, sondern die Augen zu öffnen für die andere Seite unseres wunderbaren Landes, für den Lebensstil, die Volkskultur, die Feierfreude? Da würden wir uns doch nicht abhalten lassen von der Angst vor möglichen Überfällen.
Gedacht, geplant, getan. Wir machten uns auf den langen Weg nach Oaxaca. Zuerst suchten wir dort nach Orten, die ähnliche Paraden zu bieten haben wie der Beginn des James-Bond-Films „Spectre“, mit großen Marionetten, Tausenden kostümierten Menschen und unendlichem Getöse. Bald wurde uns aber klar, dass wir auf andere Art viel mehr über den südlichen Bundesstaat lernen konnten. Und so öffneten sich uns Türen, die den meisten Menschen für immer verschlossen bleiben. Wir trafen Kinder, die uns mit ihrer unbefangenen Kreativität und unschuldigen Begeisterung für sich einnahmen; Ältere, die uns über all die Traditionen aufklärten; und neugierige Ausländer, die perfekt für den Anlass gekleidet waren und die wir deshalb gleich mal in unser Shooting aufnahmen. Wir bestaunten viele unterschiedliche Altäre, erlebten atemraubenden Duft auf blumengeschmückten Friedhöfen, tranken Mezcal mit Wildfremden und nahmen an vielen kleinen comparsas teil, den traditionellen Paraden.
Die Botschaft dieses Tages: die Toten zu ehren, indem man das Leben feiert. Das geht nur gemeinsam, in der Familie und mit anderen. Und es passiert in einer unendlichen Abfolge kurzer Momente, die uns kaum Zeit zum Planen ließ, sondern Fotos aus dem Augenblick hervorbrachte.
Unsere Frauen-Mannschaft wurde für drei Tage zu unserer Familie. Wir freuten uns mit Loraine, unserem aus Brasilien stammenden Model, das beim ersten Abendessen in Tränen der Freude ausbrach, als sie am Telefon erfuhr, dass ihrem Antrag auf die mexikanische Staatsbürgerschaft stattgegeben worden war. Und wir erfreuten uns an Isabella, einer echten Mexikanerin, die vor Begeisterung sprühte. Ebenfalls dabei war Eliel von der Regierung von Oaxaca, der uns bei vielen bürokratischen Kleinigkeiten half, und unsere umtriebige Assistentin Paula.
Die Vorbereitungen für den „Tag der Toten“ dauern monatelang. Am wichtigsten sind die Ringelblumen, von denen man Abermillionen braucht. Ihre Farbe soll den Seelen der Toten helfen. Die zweite wichtige Farbe ist das Violett des terciopelo („Samt“), das die Seelen beschützen soll. Die Friedhöfe sind bedeckt mit Blumenteppichen von einzigartigem Duft. Was sonst noch zu diesen Tagen gehört: das Gebäck mit viel Zucker und Vanille, das papel picado, kunstvoll geschnittenes gefärbtes Papier, das überall herumliegt, wo gerade keine Blumen sind, und natürlich der Mezcal, der vierzigprozentige Schnaps aus dem Fruchtfleisch von Agaven. Ein Toast auf die Toten!
Die wichtigsten Figuren dieses Spektakels sind die Catrinas und die Catrins, die mit Totenköpfen bemalt sind. Und in unserem Fall eben die beiden Models. Sie sind in Mode gekleidet, die zwar zumeist nicht aus Mexiko kommt, aber Mexiko als Thema und Ursprung hat. Was sollen wir sagen? Es wurde ein Fest des Lebens. Ich hoffe, das sieht man unseren Bildern an.
Qué hacer en Oaxaca
Tagelang waren wir für unsere Modestrecke in Oaxaca unterwegs. Ganz nebenbei haben wir uns einige wichtige Sehenswürdigkeiten angeschaut.
Idee, Produktion, Text, Fotos: Yavidan Castillo Idee, Produktion, Styling: Evelyn Tye Models: Loraine Gimenez (GH Management) und Isabella Rodriguez (New Icon) Produktionsassistenz: Paula Aranda Haare und Make-up (Catrina): Dulce Garcia
Dank an: Mariel López Martínez, Oficina de Convenciones y Visitantes de Oaxaca Eliel Nava Cano, Oficina de Convenciones y Visitantes de Oaxaca Estela Nolasco, Chimalli Travel Group Friederike Schaefer Wildenberg, Hotel Azul Hotel Abu, Oaxaca Daniel Efrén Brena Wilson, Centro de las Artes de San Agustín Adriana Aguilar, Coordinación de Turismo, Cultura y Economía del Gobierno Municipal de Oaxaca Jannette Garcia
Quelle: F.A.Z.-Magazin
Veröffentlicht: 24.01.2018 11:44 Uhr
