Historische Modeunternehmen heute : Aufgekauft und wachgeküsst
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Vom vergessenen Traditionshaus zum angesagten Trendlabel: Carven, hier mit einem Modell von 1945. Bild: ullstein bild
Von Vionnet bis Schiaparelli – immer mehr historische Modehäuser werden heute wieder zu neuem Leben erweckt. Warum das Geschäft mit den „sleeping beauties“ boomt.
Der steile Aufstieg des französischen Modelabels Carven vom vergessenen Traditionshaus zur angesagten Trendmarke hat einen Stein ins Rollen gebracht. Vionnet, Schiaparelli, Moynat, Berluti, Belstaff, Courrèges, Fauré Lepage, - nie gab es mehr Revivals geschichtsträchtiger Marken als in den letzten paar Jahren. Guillaume Henry hat es mit Carven beispielhaft vorgemacht. Der damals 30-jährige Designer, der vorher für Givenchy und Paule Ka gearbeitet hat, übernahm das in die Jahre gekommene Label 2009 und machte es innerhalb weniger Monate zur Kultmarke.
Wie er das geschafft hat? Indem er kreative Designermode zu relativ erschwinglichen Preisen anbot. Doch das allein hätte wohl kaum zu einem solchen Erfolg geführt. Henry konnte gleichzeitig auf die reiche Geschichte der Marke zurückgreifen. Carven wurde 1945 gegründet und trug bis 1996 die exklusive Bezeichnung „Haute Couture“. Nach dem Weggang seiner Gründerin Carmen de Tommaso konnte das Label in den letzten drei Jahrzehnten nicht mehr an seine Erfolge in den fünfziger und sechziger Jahren anknüpfen. Es gab zu viele wechselnde Designer und ein altmodisches Image, von dem es sich nicht befreien konnte.
Doch der Name Carven war den Franzosen im Gedächtnis geblieben. Schließlich trugen in den siebziger Jahren das gesamte Air-France-Personal und die Mitarbeiter der Pariser Flughäfen Uniformen der Marke. Als ehemaliges Couture-Haus gehörte Carven zur Crème de la Crème der Modebranche und hatte somit allemal das Zeug, zum Träumen anzuregen und mit großen Luxuslabels wie Chanel oder Dior mitzuhalten. Von diesem Ruf kann die Marke noch heute profitieren.
Wie durch ein Museum
Nun wittern auch andere historische Labels ihre Chance und nutzen ihre traditionsreiche Biographie als Marketingstrategie. Im letzten Herbst lud das Haus Schiaparelli zu einer Besichtigung in das wiedereröffnete Atelier an der Place Vendôme. Die legendäre Modeschöpferin Elsa Schiaparelli war eine der schillerndsten Figuren der Modeszene der zwanziger und dreißiger Jahre. Doch aufgrund finanzieller Schwierigkeiten musste sie ihr Atelier 1952 schließen. Die eher minimalistische Mode ihrer größten Konkurrentin Coco Chanel hatte ihr nach dem Zweiten Weltkrieg den Rang abgelaufen.
Nun wurde das Haus wieder zum Leben erweckt. Seine Botschafterin und Jean-Paul-Gaultier-Muse Farida Khelfa führt durch die renovierten Räume, als ob es sich um ein Museum handelt. Hier ein Dalí, dort ein Man Ray, Bérard oder Cocteau. Nur wenige dieser Zeichnungen, Bilder und Objekte waren zwar tatsächlich einmal im Besitz der 1973 verstorbenen Designerin. Doch sie spiegeln ihr Universum wider und lassen das Image der Marke wiederaufleben. „Ich habe mit vielen großen Couturiers zusammengearbeitet, und für alle war ,Schiap’ die wichtigste Referenz überhaupt“, erzählt Khelfa. „Für mich ist sie die DNA der Mode. Der sichtbare Reißverschluss: das war Schiaparelli. Zeitungspapier auf Stoff gedruckt: Schiaparelli. Münder, Surrealismus, Trompe l’oeil: alles Schiaparelli.“
Das Archiv der Marke ist ein endloser Fundus an Referenzen, auf die das Haus für seine zukünftigen Entwürfe zurückgreifen können wird. Nur das Datum für die erste Kollektion ist noch ungewiss. Diego Della Valle, Präsident der Luxusmarke Tod’s, der das Haus 2006 aufkaufte, ist noch auf der Suche nach einem adäquaten Chefdesigner.