Mode in der Politik : Merkels grellste Waffe
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8. Juni: Angela Merkel mit Barack Obama auf Schloss Elmau Bild: AP
Unter den Spitzenpolitikerinnen hat sich im Jahr 2015 der rote Blazer etabliert. Gedanken zu einer neuen optischen Waffe.
Das Jahr 2015 war kein leichtes. Im Leben eines Spitzenpolitikers zum Beispiel jagte 2015 ein Krisenfall den nächsten: der mögliche Grexit, der drohende Brexit und der schon jetzt reale IS-Terror. Die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, der Syrien-Einsatz, der zunehmende Rechtspopulismus mitten in Europa.
Darf man in diesem Zusammenhang über Mode sprechen? Oder zumindest über Bekleidung? Denn auch Spitzenpolitiker stehen eben zwischen der Nachtschicht zur Rettung Griechenlands in Brüssel und dem Frühtermin in Berlin vor dem Kleiderschrank oder dem geöffneten Koffer im Hotelzimmer und müssen beschließen, was sie anziehen. Und sofern sie bei ihren anschließenden Terminen mit Fotografen rechnen können, dürften solche Entscheidungen umsichtig getroffen werden.
Unter Politikerinnen hat sich in dieser Hinsicht im Jahr 2015 eine neue optische Waffe etabliert. Die Waffe roter Blazer. Männer würden darin aussehen wie Paradiesvögel, noch nicht einmal Alexander Dobrindt ist wohl ein rotes Jackett zuzutrauen. Aber für Frauen - für Spitzenpolitikerinnen - ist das Pendant, der rote Blazer, 2015 zur echten Institution im Kleiderschrank geworden, und das unabhängig von der Parteizugehörigkeit.
Klar, Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Linken, trägt Rot wie andere Leute Grau und Grautöne wie andere Leute Rot, dicht gefolgt von der rheinland-pfälzischen und sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Andrea Nahles - trägt Rot. Aber auch Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt ist auf Fotos mindestens so oft in roten Blazern zu sehen wie in grünen.
„Die Parteizugehörigkeit ist in dem Fall kein Argument“
Und selbst Ursula von der Leyen, modisch eigentlich die Dame für Creme-Töne, lässt sich gelegentlich zu Rot hinreißen. Ebenso CDU-Frauen wie Bildungsministerin Johanna Wanka, Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer oder Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Diese Frauen haben den Bildern zufolge im Jahr 2015 mindestens einen roten Blazer im Schrank hängen gehabt.
„Die Parteizugehörigkeit ist in dem Fall kein Argument“, sagt auch Leatrice Eiseman, Direktorin des Pantone-Farbinstituts. Eiseman durchschaut von Berufs wegen die Bedeutung von Farben so gut wie Politiker hoffentlich Großkrisen. Sie weiß: „Rot steht auf unmissverständliche Weise für Macht, das versteht jeder so.“
Deshalb ist es auch kein Wunder, dass Angela Merkel, die, wenn es um ihren modischen Stil geht, oft die Pantone-Kanzlerin genannt wird, zwischen senfgelben, türkisblauen und schwarzen Blazerjacken häufig Rot wählt - also alle Nuancen zwischen dunklem Bordeaux und sattem Apricot.
So erscheint sie zu gewöhnlichen Kabinettssitzungen oder wenn sie die Queen wie im Juni in Deutschland begrüßt oder auch die Staats- und Regierungschefs der G-7-Länder auf Schloss Elmau. Sie trägt auch Rot, wenn sie auf David Cameron und Alexis Tsipras in Brüssel trifft, auf Chinas Ministerpräsidenten Li Keqiang in Peking oder Horst Seehofer in Berlin. Rot ist eine gute Farbe, wenn man in den eigenen Reihen in die Kritik gerät.
Hat der Blazer Schwesig ins Amt verholfen?
So gesehen haben rote Blazer so viel Potential, dass sie natürlich nicht erst seit 2015 eine Rolle spielen können. Auch in Angela-Merkel-Bildergalerien aus vergangenen Jahren sieht man auffällig viele rote Blazer. Unter den Stücken, die Mitte Dezember dieses Jahres aus Margaret Thatchers Nachlass bei Christie’s in New York versteigert wurden, war ebenfalls ein weinrotes Kostüm von Aquascutum.
Und wenn Familienministerin Manuela Schwesig irgendein Kleidungsstück 2013 auf den Posten verholfen haben sollte, dann ist es der rote Blazer. Sie trug ihn - oft zur roten Hose, als Hosenanzug - im Wahlkampf bei fast allen öffentlichen Auftritten. Schwesig wird wissen, weshalb sie Rot über diese Wochen hinaus, nachdem sie längst zur Familienministerin ernannt wurde, konsequenter als jede andere Frau im Bundeskabinett trägt.