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Modetrend Low-Rise-Jeans : Gegen jede Body Positivity

Model Bella Hadid in einer Low-Rise-Hose von Stella McCartney. Bild: AP

Schon wieder Hüfthosen? Die Modelle der Neunziger- und Nullerjahre sind offenbar doch noch nichts für die Mottenkiste. Dabei gäbe es dafür ein paar Gründe.

  • -Aktualisiert am
          3 Min.

          Trends kommen und gehen. Auf manche könnte man jedoch ge­trost verzichten. Gerade hatte ich mich an die formlosen, weiten Klamotten, die uns Corona beschert hat, gewöhnt, und dann das. Die Low-Rise-Jeans ist zurück. Horror. Steht die überhaupt jemandem außer Models und vorpubertären Mädchen?

          Hailey Bieber, Bella Hadid und Kendall Jenner tragen sie bereits. Man nennt sie auch Hüftjeans, denn dort sitzen sie ja und drohen jeden Moment zu viel preiszugeben.

          Nach Ugly-Sneakers und Crop-Tops jetzt Low-Rise-Jeans

          Selbstverständlich könnte man den Low-Rise-Jeans-Trend einfach ignorieren. Schublade: Neunziger- und Nullerjahre-Comeback. Nach Ugly-Sneakers und Crop-Tops sind nun eben Hüftjeans dran. Vor 20 Jahren hatten diese Modelle übrigens wenigstens einen Nutzen. Zu­fälligerweise überlappte deren Hochzeit mit der des Arschgeweihs.

          Auch heute wird niemand dazu genötigt, sich in Hosen zu zwängen, in denen man sich weder beugen noch bequem sitzen kann, ohne anderen Menschen sein Hinterteil zu präsentieren. Es gibt je­doch Trends, die sich besser wirklich nicht wiederholen sollten. Denn Hüftjeans geben ihren Besitzerinnen das Ge­fühl, nicht gut genug zu sein.

          Ein Trend, der schon letztes Jahr begann: Julia Fox trug Low-Rise-Jeans bei der Pariser Modewoche 2022.
          Ein Trend, der schon letztes Jahr begann: Julia Fox trug Low-Rise-Jeans bei der Pariser Modewoche 2022. : Bild: dpa

          Comeback der Selbstzweifel?

          Was wohl schon vor 20 Jahren Selbstzweifel bei Frauen jeden Alters ausgelöst hat, soll sich jetzt wiederholen? Erwachsene mögen sich eher darüber im Klaren sein, dass Mode wiederkommt. Sie haben einen eigenen Stil entwickelt und stellen sich nicht direkt selbst infrage, wenn ihnen etwas nicht steht. Schwache Mo­mente gibt es natürlich, wir sind schließlich nur Menschen. Als Kind oder Teenager ist man jedoch viel anfälliger für unerreichbare Ideale. Wir alle dachten mal, dass wir uns verändern müssten. Dünner, ja sogar größer sein müssten, um schön zu sein. So ein gesundes Körperbewusstsein zu entwickeln, ist äußerst schwierig.

          Ich erinnere mich noch gut an das Körperideal, das während meiner Kindheit vorherrschte: groß, dünn, wenig bis keine Kurven. Eben das, was bei „Germany’s Next Topmodel“ von 2006 an gesucht wurde. So etwas geht an Kindern nicht vorbei – schon gar nicht an Mädchen. Auch die Mode orientierte sich an diesem Ideal. Britney Spears, Shakira, ja sogar Bill von Tokio Hotel, alle trugen tiefsitzende Jeans. Je tiefer der Stoff saß, desto besser.

          Bereits 2001 hätten Destiny’s Child mit ihrem Song „Bootylicious“ eine Ära einläuten können, in der es erlaubt ist, einen Po zu haben. Jennifer Lopez soll ihren angeblich sogar mit einer Millionensumme abgesichert haben. Trotzdem hat es Jahre gedauert, bis andere Körperformen im Mainstream angekommen waren.

          Von 2010 an trieben es Nicki Minaj und die Kardashians mithilfe von Skinny Jeans und Bodycon-Kleidern (und Schönheitschirurgen) dann auf die Spitze: Die Sanduhr-Figur wurde das neue Idealbild; ein flacher Bauch und ein übernatürlich dicker Po. Selten ist je­mand mit beiden Attributen gesegnet, auch wenn bearbeitete Bilder das Ge­genteil suggerieren. Und obwohl abzusehen war, dass auch dieses Ideal irgendwann von einem neuen abgelöst werden würde, so ist der extreme Wechsel be­sorgniserregend.

          „Heroin Chic“ ist wortwörtlich zu nehmen

          Im November 2022 titelte die „New York Post“: „Bye-bye booty: Heroin chic is back“. Damit gemeint ist ein Stil der Neunzigerjahre, fast ausschließlich verkörpert durch Supermodels wie Kate Moss. Extremes Dünnsein, hervortretende Knochen, fahle Haut und dunkle Augenringe. Ziel war es, wie eine Drogensüchtige auszusehen.

          Als ob das nicht schlimm genug war, ließ Moss sogar mal verlauten, dass nichts so gut schmecke wie dünn zu sein. Dass sie zu der Zeit selbst Drogen nahm, ließ sie natürlich unerwähnt. Vor einigen Jahren entschuldigte sie sich für diese Aussage zwar, aber zurücknehmen lassen sich ihre Worte nicht. Das Zitat kursiert immer noch als Motivationsspruch auf Instagram-Fitnesskanälen.

          Nicht jeden Trend muss man mitmachen

          Das Tragen von Low-Rise-Jeans wird selbstverständlich nicht automatisch zu einer Essstörung führen. Ein Wiederaufleben von ungesunden und auch gefähr­lichen Idealen muss trotzdem hinterfragt werden. Ein Trend kommt nämlich selten allein. So fallen jetzt einige Stars mit neuen abgemagerten Gesichtszügen auf. Wer sein Gesicht als zu rundlich empfindet, kann sich Wangenfett entfernen lassen.

          Während Erwachsene wissen, dass sie nicht jedem Trend hinterherrennen müssen und weiterhin Skinny Jeans und Seitenscheitel tragen können – obwohl Gen Z sie für out erklärt hat –, stehen Teenager häufig unter einem anderen Anpassungsdruck. Man kann nur hoffen, dass sie ir­gendwann Hosen mit hohem Bund für sich entdecken. Oder Culottes. Von mir aus auch Leo-Leggings – Hauptsache, sie fühlen sich wohl und schön darin.

          Die Erfindung der Low-Rise-Jeans als Trendstück wird dem britischen Modedesigner Alexander McQueen zugeschrieben. Schon seit 1996 treiben sie ihr Unwesen. Vielleicht könnte man hier be­reits ansetzen. Es ist nicht übertrieben, von Designern und Marken zu verlangen, sich an der Realität zu orientieren. Kleidung herzustellen, die der Mehrheit passt oder jedenfalls passen könnte, ohne dass man dafür hungern muss. Frauenkörper fügen sich seit Jahrhunderten Schönheitsidealen. Sollte das nicht um­gekehrt sein?

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